Das Blut Des Daemons
auf diese Weise noch zusätzlich potenzieren. Nein, Dawn, ich will kein Russisch Roulette mit deinem Leben spielen.«
Wo er recht hatte, hatte er recht. Ich kam mir vor wie ein Idiot. Dabei wollte ich nur eins: dass es wirkte.
»In Ordnung. Also nur eine Möglichkeit.« Ich atmete tief ein und beäugte die Phiole. »Was glaubst du, wie viel wir nehmen müssen?«
»Gute Frage. Nächste Frage!«
Verwirrt schaute ich ihn an.
»Ich weiß es nicht, Dawn.«
Nur mit Mühe verbiss ich mir ein Stöhnen. Fühlte sich so eine Ratte im Versuchslabor?
Abermals holte ich tief Luft, rieb mit den Handflächen über meine Oberschenkel und rang mir ein möglichst tapferes Lächeln ab. »Dann lass es uns versuchen.«
Mit der ihm eigenen raubtierhaften Eleganz stand er vom Boden auf.
»Hier oder oben?«
»Was spricht gegen hier?« Dieses Experiment in meinem Zimmer – und damit viel zu nah an meinem Bett – durchzuführen, hatte für meinen Geschmack einfach zu viel von todkrank .
»Nichts.« Nonchalant hob Julien die Schultern. Ich zuckte ein bisschen zusammen, als er mir die Phiole hinstreckte. »Hältst du eben? – Und bitte nicht umkippen.«
Meine Finger bebten, als ich sie ihm abnahm. Das Glas fühlte sich glatt und kühl an. Ein letzter prüfender Blick und er ließ mich allein. Ich hörte seine Schritte in der Halle, gleich darauf rauschte in der Küche Wasser, gefolgt von dem Klappen von Schranktüren und Schubladen. Kaum eine Minute später war er zurück, ein Glas, eine Tasse und ein Geschirrtuch in der Hand. An seinen Fingern hing noch ein Rest Nässe, als er mir wortlos die Phiole abnahm und sie aufrecht in die Tasse stellte, die er so neben dem Sofa platziert hatte, dass keiner von uns sie versehentlich umstoßen konnte. Glas und Tuch ließ er – zusammen mit einem kleinen Löffel, den ich zuvor nicht gesehen hatte – bei mir auf dem Sofa, ehe er denRaum durchquerte und sich nach etwas auf dem Boden bückte. Erst nachdem er sich wieder zu mir umdrehte, erkannte ich, was er in den Händen hielt: den Dolch, den ich zuvor bei seinem Kampf mit Adrien kurz gesehen hatte.
Mit einem seltsamen Gefühl in meinem Inneren beobachtete ich, wie er wieder herüberkam, sich neben mich setzte. Das Glas zwischen seine Knie klemmte. Die Dolchklinge mit dem Geschirrtuch abwischte. Das Tuch scheinbar achtlos neben sich legte. – Und sich die Schneide mit einer kurzen, schnellen Bewegung schräg über die Innenseite seines Handgelenks zog. Der Schnitt klaffte auseinander. Blut quoll heraus. Unendlich dunkel auf seiner unmenschlich hellen Haut. In meinem Magen saß ein Flattern, das nichts mit meinen Anfällen zu tun hatte. Ich sog die Luft mit einem leisen Keuchen ein, zwang mich zum Atmen. – Und starrte zugleich weiter wie gebannt auf die roten Linien, die sich über seinen Arm zogen, in das Glas rannen, sich auf dessen Boden sammelten, ihn bedeckte, an den Seiten in die Höhe kroch, weiter, weiter … Das Flattern wurde zu einem ungeduldigen Ziehen. Ich schluckte mühsam dagegen an.
Meine Hände zitterten. Ich presste sie zwischen die Knie, wollte nicht, dass er es sah. Es wurde nicht besser, als Julien unvermittelt den Arm hob und über den Schnitt leckte, damit der sich schloss. Eine neue rote Linie zwischen den Spuren, die jedes Mal auf seiner Haut zurückblieben, wenn er sich ein weiteres Mal die Fänge in den Arm geschlagen und ihn für mich aufgerissen hatte, damit ich trinken konnte. Spuren, von denen er behauptete, dass sie mit ein bisschen Zeit vergehen würden. Mir war heiß und kalt zugleich. Ich starrte auf das Glas, drückte die Knie noch fester gegeneinander. Es war ungefähr zu einem Drittel mit Juliens Blut gefüllt.
»Dawn?«
Ich fuhr zusammen, hob den Blick und begegnete Juliens.
Er hatte die dunklen Brauen zusammengezogen, musterte mich besorgt. »Alles in Ordnung?«
Hastig nickte ich. Vielleicht etwas zu hastig, denn die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. »Sicher?« Ich hätte geschworen, dass er sich noch mehr anspannte.
»Ja.« Ich wollte nicht, dass er es merkte; merkte, dass allein der Anblick seines Blutes diesen … Hunger, diese … Gier in mir weckte, dass ich mich kaum beherrschen konnte, seinen Arm zu packen und ihm die Reste seines Blutes von der Haut zu lecken, ehe sie endgültig getrocknet waren oder er sie achtlos wegwischte …
Er schaute mich immer noch an.
»Es ist nichts. Wirklich.«
Julien hob eine Braue, sagte aber nichts mehr, sondern bückte sich nach der Phiole
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