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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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und entfernte bedächtig den gläsernen Pfropfen, der sie verschloss, während er sich wieder aufrichtete. Seine Hand bebte kaum merklich, als er nach dem kleinen Löffel neben sich griff, ihn über das Glas hielt und vorsichtig winzige Mengen des roten Pulvers auf seine Spitze zu klopfen begann.
    Der Hunger in meinem Inneren wollte nur langsam nachlassen.
    Als Julien die Phiole schließlich wieder senkte, konnte es nicht viel mehr als eine Messerspitze vom Blut der ersten Lamia sein, das in der Kuhle des Löffels lag. In einem letzten Zögern schwebte er noch einen Augenblick über dem Glas, ehe Julien ihn abrupt umkippte. Die Bewegungen, mit denen er die Phiole wieder verschloss und zurück in die Tasse stellte, waren abgehackt und verrieten seine Anspannung. Selbst als er umrührte, klirrte der Löffel erschreckend heftig gegen das Glas. Dass er einmal tief durchatmete, ehe er mich schließlich wieder ansah, änderte anscheinend auch nichts daran. Ich schluckte hart. Es war also so weit. In meinem Magenverstärkte sich das Flattern. Er streifte den Löffel ab und hielt mir das Glas hin. »Hier. Vielleicht solltest du es schnell trinken, bevor es sich wieder absetzt.« Die Worte klangen gepresst.
    Ich nahm es ihm ab. Diesmal zitterte meine Hand. Ich konnte die Wärme von Juliens Blut an meiner Handfläche spüren. Einen Moment sah ich ihm über das Glas hinweg in die Augen, dann setzte ich an und trank. Doch schon nach dem ersten Schluck krampfte Ekel meine Eingeweide zusammen. Was meinen Mund füllte und zäh meine Kehle hinabrann, hatte nicht diesen leicht erdigen, süßen und zugleich irgendwie kupfernen Geschmack, den ich von seinem Blut gewohnt war. Es war bitter, seltsam … abgestanden und … tot. Sekundenlang kämpfte ich gegen den Brechreiz. Julien wollte mir das Glas abnehmen, ich schlug seine Hand weg, zwang mich zu schlucken, wieder und wieder; unterdrückte das Würgen, um mich nicht zu übergeben und es sofort wieder auszuspucken. Ich wollte doch leben! Das hier war vielleicht meine einzige Hoffnung. Ich musste es unten behalten! Ich musste! Musste …
    Ich nahm nur vage wahr, dass Julien das Glas aus meinen verkrampften Händen löste und beiseitestellte. Wie lange ich letztlich vornübergekrümmt auf dem Sofa saß, die Arme auf den Bauch gepresst, konnte ich nicht abschätzen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Julien hielt mich fest, während ich mich einzig darauf konzentrierte, das, was ich eben mühsam hinuntergewürgt hatte, nicht direkt wieder von mir zu geben. So sehr, dass ich im ersten Moment gar nicht begriff, was er von mir wollte, als er mir sein Handgelenk hinhielt und »Trink!« sagte. Bis er es mir gegen die Lippen drückte und sein Blut irgendwie auf meine Zunge gelangte. Der Hunger erwachte von einer Sekunde zur anderen wieder mit einer solchen Gier, dass selbst das Gefühl, mich übergeben zu müssen, neben ihm unbedeutend wurde. Ichumklammerte Juliens Arm, presste meinen Mund auf die Wunde, schloss die Augen und trank. Sein Blut schmeckte wieder genau so, wie ich es kannte: warm und süß, kupfern und zugleich seltsam dunkel und erdig. Und lebendig .
    Die Übelkeit verging mit jedem Schluck mehr, verschwand ganz, und ich schaffte es, mich an Julien zu lehnen. Es war wie damals in Samuels Keller. Das Ungeheuer in meinem Inneren zog seine Klauen aus mir und rollte sich zufrieden zusammen.
    Als Julien mir seinen Arm irgendwann mit sanfter Gewalt entwand, gab ich ein enttäuschtes Maunzen von mir – den Laut zurückzuhalten gelang mir nicht mehr – und biss mir vor Scham auf die Lippe. Ich wehrte mich nicht dagegen, dass er mir half, mich auf dem Sofa auszustrecken, und die Decke über mich breitete. Ich fühlte mich schläfrig. Und zugleich irgendwie sehr wohl. – Wie ein Junkie sich nach einem Schuss seiner Droge fühlen mochte. Unter der Decke verborgen schlang ich die Arme um mich selbst und grub mir die Fingernägel in die Handflächen. Es war falsch, so falsch!
    »Alles wieder in Ordnung?« Julien war ganz dicht neben mir. Ich nickte, ohne die Augen zu öffnen. Er schien zu zögern, doch dann knirschte das Leder und ich fühlte, wie er sich vorbeugte. Ein hohes Kreischen verriet, dass er die Phiole mit dem Blut der ersten Lamia wieder in ihrer goldenen Hülle verbarg. Gleich darauf bewegte sich das Sofa unter mir, als er aufstand. Das Klirren von Glas gegen Porzellan, seine Schritte, die sich entfernten, nach einem Moment der Stille zurückkamen. Schweigend bewegte er sich

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