Das Blut Des Daemons
während Julien nach einem letzten Zögern und einem prüfenden Blick zu mir die Treppe wieder hinunterging.
Waschen, Zähneputzen, Umziehen ich vermied es, dabei in den Spiegel zu sehen. Mein Anblick heute Morgen in der Schule hatte mir gereicht und ich bezweifelte, dass er sich im Laufe des Tages verbessert hatte. Nachdem ich fertig war, warf ich meine Sachen in den Wäschekorb und schlüpfte in mein Zimmer zurück. Schon halb im Bett hielt ich inne. Der Dorian Gray lag noch immer auf dem Nachttisch. Entschlossen schlug ich die Decke noch mal zurück, packte das Buch und stopfte es zwischen die anderen in dem Regal neben meinem Schreibtisch. Ich stieg gerade erneut ins Bett, als ich Julien im Gang hörte, dann klappte die Badezimmertür und gleich darauf plätscherte Wasser. Die Arme um mein Kissen geschlungen lauschte ich auf das Rauschen der Dusche – bis es irgendwann endete.
Als Julien kurz darauf in mein Zimmer kam, setzte ich mich überrascht auf. Ich hatte angenommen, dass er sich wie jede Nacht zu mir legen würde, aber er hatte sich wieder angezogen. Zwar trug er nur frische Jeans und ein einfaches schwarzes T-Shirt, aber der Umstand, dass er sie trug, verunsicherte mich dennoch.
»Was ist los?« Beunruhigt beobachtete ich, wie er dasDeckenlicht löschte, mein Zimmer durchquerte und die Tür zum Balkon kontrollierte. Daran war an sich nichts Ungewöhnliches. Dieses Haus hatte ein Sicherheitssystem, das selbst Julien das ein oder andere Problem bereiten könnte, und sämtliche Fenster und Türen sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Stock waren abschließbar und obendrein – so zumindest meine Vermutung – aus Spezialglas. Dennoch machte Julien jeden Abend und wann immer er mich allein lassen musste, um zu jagen, seine Runde. Dieses Mal allerdings hing sein Blick ein paar Sekunden zu lang in der Dunkelheit jenseits der Scheibe.
»Julien? Was ist?«
Er kehrte der Balkontür den Rücken und kam zu mir ins Bett. Auf der Decke. »Nichts. Mach dir keine Sorgen.« Seine Haare waren noch nass, die Feuchtigkeit hatte den Ausschnitt seines T-Shirts ein wenig dunkler gefärbt.
Zu jeder anderen Zeit hätte ich ihm mit ziemlicher Sicherheit geglaubt, aber im Moment? Nein. Vor allem weil er nicht zu mir unter die Decke kam, um mich in den Arm zu nehmen, so als rechnete er damit, sehr schnell wieder aus dem Bett zu müssen. – Und auch wenn meine Anfälle in der letzten Zeit genau das immer häufiger nötig gemacht hatten: Heute war irgendetwas anders.
»Bitte sag mir, was los ist.« Ich ließ mich von ihm auf die Kissen zurück und an seine Brust ziehen.
Wortlos griff Julien über mich hinweg und knipste die Leuchte auf dem Nachttisch aus. Sein Arm blieb über mir liegen. Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.
»Julien, bitte.«
Er verhinderte, dass ich mich zu ihm umdrehte, drückte mich stattdessen fester gegen seine Brust.
»Es kann sein, dass Gérard weiß, dass ich – oder zumindest einer der Du-Cranier-Zwillinge – in Marseille war.«
»Was? Aber … wie …?« Erneut ließ er es nicht zu, dass ich mich mehr als ein paar Zentimeter zu ihm umwandte.
»Glaub mir: Wenn ich das wüsste, wäre mir selbst bedeutend wohler. Ich habe jede nur erdenkliche Vorkehrung getroffen, um es zu verhindern. – Aber letztlich ist es auch nur ein Verdacht. Mit absoluter Sicherheit kann ich es nicht sagen.« Seine Fingerspitze malte Kreise auf meinem Handrücken.
Falls Gérard wusste, dass einer der Zwillinge in Marseille gewesen war, würde er dann versuchen in Erfahrung zu bringen, um welchen es sich gehandelt hatte? Was, wenn er auch in Dubai Erkundigungen einholte? Ausgerechnet jetzt, wo keiner der beiden dort war. »Und was nun?« Warum nur hatte ich seine Anspannung nicht sofort bemerkt, als er zurückgekommen war? – Doch selbst wenn ich sie bemerkt hätte, hätte ich sie dann nicht ohnehin nur seiner Sorge um mich und dem Streit mit Adrien zugeschrieben? Vermutlich.
Er rückte sich hinter mir auf der Decke zurecht.
»Wir warten ab und tun so, als sei alles in Ordnung.«
Wie bitte? Ich verrenkte mir den Hals, um ihn anzusehen. »Wir warten ab? – Soll ich morgen schon mal das silberne Tablett besorgen, um ihm deinen Kopf darauf übergeben zu können, wenn er demnächst an die Tür klopft? Er muss ja noch nicht einmal nach uns suchen.«
»Gérard wird es nicht wagen, an diese Tür zu klopfen. Dieses Haus gehört dir, zumindest, sobald du alt genug bist. Und bis dahin bist du das Mündel deines
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