Das Blut Des Daemons
davon, dass er ein paarmal kurz dazu ansetzte, etwas zu sagen, schwieg er. Wer auch immer am anderen Ende war, ließ ihn offenbar nicht zu Wort kommen.
Ich drehte das Wasser ab, ließ den Bademantel von den Schultern gleiten, hängte ihn an den Haken hinter der Tür und entledigte mich meines Pyjamas, der den Weg in den Wäschekorb nahm. In meinem Zimmer kam Julien noch immer nicht über Satzanfänge hinaus.
Mein Blick streifte den Spiegel über dem Waschbeckennur flüchtig. Dennoch fuhr ich zurück. Wie hatte Neal gestern gesagt? Ich sähe aus wie eine Leiche auf Urlaub? – Das wäre heute eine glatte Untertreibung gewesen. Meine Haut war bleich wie Kalk, dafür waren meine Augen rot gerändert. Den Zustand meiner Haare weigerte ich mich überhaupt wahrzunehmen.
Die Hände zu beiden Seiten um den Rand geklammert, stieg ich in die Wanne. Julien würde nicht begeistert sein, dass ich nicht gewartet hatte, aber ich hatte nicht vor, mich wie eine gebrechliche alte Frau behandeln zu lassen. Ganz langsam sank ich in das heiße Wasser. Es war wunderbar – auch wenn es für einen kurzen Moment den Schwindel verschlimmerte.
Juliens Stimme drang jetzt immer lauter aus meinem Zimmer. Inzwischen schaffte er sogar schon ganze Sätze. Es gab nur wenige Personen, die ihn dazu bringen konnten, den Ton zu heben. In diesem Fall tippte ich auf Beth.
»…eiß nicht, was dich auf die Idee gebracht hat, ich könnte Dawn zu irgendetwas zwingen, was sie nicht zu hundert Prozent selbst will. … Nein, ich werde mich vor dir nicht dafür rechtfertigen, dass ich Dawn in dieser Nacht im Ruthvens habe ›stehen lassen‹ und sie sich deinen Käfer geliehen hat, um nach Hause zu kommen.«
Oje.
»… Jetzt halt aber mal die Luft an. … Du wirst nicht vorbeikommen. … Weil ich dich nicht reinlassen werde. … Woher willst du das wissen? Vielleicht sind wir ja beide ansteckend. … Die haben anderes zu tun, als sich den abstrusen Ideen eines Highschool-Teenagers zu widmen.«
Die? Beth drohte Julien doch wohl nicht gerade mit den Cops? Lieber Himmel!
»… Wenn du auf Ärger mit mir gebürstet bist – kannst du …«
»Julien!«
Stille, dann »Warte mal« und schnelle Schritte – obwohl ich nun wirklich nicht nach Hilfe, ich ertrinke! geklungen hatte.
Gleich darauf streckte Julien den Kopf durch den Türspalt. Sein Blick fiel auf mich. Sofort erschien eine steile Falte zwischen seinen Brauen. »Was machst du in der Wanne?«
Ich verdrehte die Augen. »Baden! – Gib mir Beth!« Mit der nassen Hand wedelte ich über dem Wannenrand herum und verteilte Tropfen auf Fußbodenfliesen und Badematte. Dampf stieg von meiner Haut auf. Zugleich versuchte ich möglichst unauffällig, das Wenige an Schaum, das mein Badeöl produzierte, mit der anderen an den notwendigen Stellen zusammenzuschieben.
Er rührte sich keinen Zentimeter von der Tür weg, maß mich stattdessen nur mit diesem Blick, als versuche er abzuschätzen, ob das Telefonat mit Beth mich zu sehr aufregen könnte.
»Jetzt gib schon!« Ich spritzte das bisschen Wasser, das noch an meinen Fingern hing in seine Richtung. Diesmal kam er meiner Forderung nach. Wenn auch deutlich langsamer als nötig. Ich rutschte ein Stück tiefer in die Wanne und nahm ihm das Handy mit spitzen Fingern ab. Ein letzter unwillig-warnend-besorgter Blick an meine Adresse und Julien ließ mich wieder allein. Die Tür blieb einen Spalt offen. Nicht um zu lauschen – das hätte er bei seinen Sinnen auch durch die geschlossene Tür gekonnt –, sondern um sicherzustellen, dass ihm auch nicht das kleinste Anzeichen entging, falls etwas nicht in Ordnung wäre.
Auf das Schlimmste gefasst nahm ich das Handy ans Ohr. »Beth?«
»Dawn? – Gott sein Dank.« Sie war anscheinend mehr als erleichtert. »Julien sagte, es würde dir nicht gut gehen …«
»Ich bin krank, Beth. Da geht es einem nicht gut.« Ich bemühte mich locker zu klingen.
»Ist es sehr schlimm?« Offenbar hatte ich mit meiner Taktik keinen Erfolg. In ihrem Ton war die Sorge nicht zu überhören. Na ja, ich sterbe? »Was hast du überhaupt?« Ich bin eine Halb-Lamia und dass mein Onkel versucht hat, meinen Wechsel vorzeitig zu erzwingen, erweist sich jetzt als tödlich?
»Wahrscheinlich irgendein Virus …«
»Und Julien ist auch krank? Er klang gar nicht so. – Und er sah gestern auch nicht krank aus.«
Da war es wieder: das Misstrauen Julien gegenüber. Ausgerechnet von ihr. Wie sehr ich es hasste. Ich konnte es nicht verhindern, meine
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