Das Blut Des Daemons
gewusst hätte, um wen es sich bei dem Du-Cranier-Zwilling tatsächlich handelte, der bei mir war. – Ich war erleichtert gewesen. In den letzten Tagen mehr als zuvor. Paris war weit genug weg, dass er von dem, was hier vor sich ging, nichts mitbekam. Dass Vlad sich jetzt bei Julien meldete, konnte kein gutes Zeichen sein. Die Lippe zwischen die Zähne gezogen neigte ich fragend den Kopf. Julien hob in einer Geste, die Warnung und Bitte um Geduld zugleich war, die Hand.
»Es ist alles in Ordnung.« Da war nicht der Hauch eines Zögerns oder Schwankens in seiner Stimme.
Ich grub mir die Zähne ein weniger fester in die Lippe. Er hatte seinem Bruder eiskalt ins Gesicht gelogen. Warum sollte er da Probleme damit haben, das Gleiche bei meinem Großonkel zu tun? Obendrein am Telefon.
Juliens Miene verdüsterte sich. »Das halte ich derzeit für keine gute Idee.« Jetzt war da doch der Hauch eines Stockens. »… Sie ist unpässlich.« Ich hielt die Luft an.
»… Nein, ich meine diese vierwöchentliche Unpässlichkeit, die junge Frauen in ihrem Alter nun einmal befällt.«
Es dauerte ungefähr zwei Sekunden, bis in meinen Verstand sickerte, was er meinte. Mir schoss das Blut in die Wangen.
»… Ja, genau. Nicht bei einem ersten Treffen. … Vier oder fünf Tage. Sechs, wenn sie jegliches Unbehagen vermeiden wollen. Auf beiden Seiten. … Natürlich. – Ist mir die Frage erlaubt, wer es diesmal sein soll?« Ich war mir nicht sicher, ob er diese gestelzte Formulierung ironisch meinte oder ob sie irgendeiner Etikette entsprach.
Julien spielte mit seinem König. »… Eine deutlich bessere Wahl als Bastien d’Orané.« Seine Hand spannte sich für eine Sekunde um das Handy. »… Das ist mir durchaus bewusst. … Nein, ich weiß nicht, wo Bastien d’Orané sich zurzeit aufhält.«
Ich krallte die Finger in den Stoff meiner Jogginghose. Wenn jemand das wusste, dann Julien – und Adrien. Noch nicht einmal mir hatte er bisher verraten, wo – und wie – sie die Leichen von Bastien und seinen Begleitern entsorgt hatten.
»Wünschen Sie Dawn noch … Nein, kein Problem. Ich werde es ihr ausrichten. Bis dann.« Er klappte sein Handy zu und schob es in seine Jeans zurück. »Grüße und gute Besserung von Vlad«, teilte er mir sehr geschäftsmäßig mit, stellte den König wieder an seinen Platz.
»Ich bin also ›unpässlich‹?«, erkundigte ich mich behutsam. Mein Gesicht brannte noch immer.
»Etwas Besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein.« Es klang wie eine Entschuldigung. Ich für meinen Teil fand diese Ausrede ziemlich gut – und ziemlich peinlich. Aber wahrscheinlich waren das die besten. Nur: Was würde Onkel Vlad sagen, falls wir demnächst vor seiner Tür standen, weiles doch keinen anderen Ausweg mehr für mich gab, und er erfuhr, was tatsächlich mit mir los war? Ich mochte es mir nicht vorstellen.
Übertrieben behutsam zog ich die Hände wieder zwischen meinen Knien hervor. »Und was wollte er sonst?«
»Dir mitteilen, dass der Rat den nächsten Kandidaten für ihre Heiratspläne ausgewählt hat.«
Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Stöhnen. Ich hatte es geahnt! Sie wollten die möglicherweise nächste Princessa Strigoja nach wie vor mit Hochdruck unter die Haube bringen, ehe sich gewisse Befürchtungen bewahrheiteten und sich endgültig herausstellte, dass es für mich keinen Wechsel geben und ich für den Rest meiner Existenz nur ein wertloses Halbblut bleiben würde. – Ich war eine Zuchtstute, die sie an den Meistbietenden – den, der ihnen für ihre politischen Bündnisse als der Geeignetste erschien – verschacherten, solange sie es noch konnten. Und es interessierte sie dabei nicht einen Cent, dass ich keinen außer Julien wollte. Doch dessen Bitte, mir den Hof machen zu dürfen, würde man überhaupt nicht in Erwägung ziehen, da er aufgrund seiner Stellung in der Gesellschaft der Lamia als Heiratskandidat für mich offenbar gar nicht infrage kam. – Auch wenn ich mehr und mehr den Verdacht hegte, dass selbst das nur ein Teil der Wahrheit war. Immerhin hatte ich bis vor Kurzem auch nichts davon gewusst, dass er der Kideimon , der Hüter des Blutes der Ersten, war.
Onkel Vlad hatte mir einen alten Gesetzeskodex zugespielt, in dem wir gehofft hatten, einen Hinweis zu finden, wie wir ihre Pläne möglicherweise mit ihren eigenen Waffen durchkreuzen konnten. Julien hatte ihn wiederum Adrien anvertraut, da der sich besser mit den Gesetzen der Lamia auskannte. Adrien mochte nicht
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