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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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nicht. Geh.« Ich zog das Schachbrett zu mir herüber. »Ich schaffe das hier auch, weißt du?«
    Abermals musterte er mich auf diese prüfend-nachdenkliche Art, doch dann nickte er, stand auf und ging in die Küche.
    Die Innenseite des Schachbretts war mit schwarzem Samt ausgeschlagen, für jede Figur gab es eine kleine Vertiefung, damit sie in ihm nicht hin und her rutschten, wenn es verschlossen war, und am Ende beschädigt wurden. In der Küche hörte ich Julien hantieren. Wasser rauschte, das Geräusch, das der Wasserkessel verursachte, wenn man ihn auf die Herdplatte stellte, eine Schranktür klackte, dieBesteckschublade klirrte … Ich brauchte einen Moment, um herauszufinden, wie man die beiden Zwischenböden, die die Figuren voneinander trennten, wieder an dem für sie vorgesehenen Ort festmachte. Schließlich klappte ich die beiden Hälften zusammen und hakte den zierlichen Riegel in die Öse der Längsseite. Für einen Augenblick verharrten meine Finger auf den eingravierten Initialen. Mein Vater war Onkel Vlads Lieblingsneffe gewesen, der jüngste Sohn seines jüngeren Bruders Radu. Das bedeutete, dass ich außer ihm, meinem Großvater und meinem zweiten Großonkel, Mircea, noch andere Verwandtschaft haben musste, oder? Zumindest einen weiteren Onkel musste es geben. Bisher hatte allerdings noch niemand von ihm gesprochen. Warum wohl? Hatte er irgendetwas getan, um zum schwarzen Schaf der Familie zu werden? Bei den Lamia mit ihren wohl teilweise etwas … antiquierten … Ansichten und Ehrvorstellungen war das vermutlich nicht schwer. Vielleicht ergab sich ja irgendwann – sofern ich irgendwann erleben würde – einmal die Gelegenheit, Vlad nach ihm zu fragen. Das Pfeifen des Wasserkessels schreckte mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen, als ich Julien in der Tür bemerkte. Er lehnte im Rahmen und beobachtete mich schweigend – zumindest hatte er das bis eben getan, denn nun drehte er sich um und kehrte in die Küche zurück. Hatte ich tatsächlich so lange gedankenverloren auf das Kästchen des Schachspiels gestarrt? Ich schüttelte über mich selbst den Kopf, doch als ich brüsk aufstand, wankte der Raum. Die Zähne zusammengebissen holte ich einmal tief – und zugleich ein wenig zittrig – Atem, machte mich entschlossen zum Schrank auf und verstaute das Schachspiel wieder in seiner Schublade. Ich schaffte es eben noch wieder auf das Sofa, bevor der Schwindel zu stark wurde – gerade rechtzeitig, ehe Julien zurückkam. Eine dieser bauchigen Milchkaffee-Tassen in der Hand zögerte er beider Tür. Über ihren Inhalt gab es für mich keinerlei Zweifel: seine spezielle Suppe , mit der er gewöhnlich die schlimmsten Anzeichen seines Hungers bekämpfte – vor allem wenn er nicht damit rechnete, in der nächsten Zeit auf die Jagd gehen zu können. Zu Anfang hatte mir dieses Gemisch – von dem ich nach wie vor nicht genau wusste, was es außer konzentriertem Blut enthielt – geholfen, den Schwindel, die Übelkeit und die Krämpfe wenigstens halbwegs erträglich zu halten, doch inzwischen brachte es nicht einmal mehr für ein paar Minuten ein wenig Erleichterung.
    Als er noch immer zögerte, legte ich die Hand neben mich auf das Sofa. »Kommst du zu mir?« Selbst ich hörte die Anspannung in meiner Stimme.
    Julien sah mich noch eine Sekunde weiter an, dann folgte er wortlos meiner Bitte.
    Es dauerte ein paar Momente, bis wir es uns mit meiner Decke und den Kissen bequem gemacht hatten, doch schließlich lehnte Julien in der Sofaecke, die Füße auf dem Tisch, seinen freien Arm um meine Schultern, während ich mich an seine Seite schmiegte. Auch wenn seine Haltung scheinbar vollkommen entspannt war, merkte ich, wie er sich sekundenlang anspannte, als ich den Kopf auf seine Brust legte.
    Das Schweigen, das für einen Augenblick über uns hing, hatte etwas Unbeholfenes.
    »Und was jetzt?«, erkundigte Julien sich nach einem weiteren Moment leise und nahm einen Schluck aus seiner Tasse.
    Ausgezeichnete Frage. Vielleicht hätte ich mir früher darüber Gedanken machen sollen? Andererseits: Was konnte man an einem verregneten Novembernachmittag schon groß tun, wenn man das Haus nicht verlassen wollte – sah man von solchen Dingen wie Putz-, Wäsche- oder Bügelorgien ab? Ließ man Hausaufgaben ebenfalls außer Acht, fielen mirnur zwei Dinge ein: lesen oder fernsehen. Ersteres kam nicht infrage, vor allem da es zu zweit schwer zu bewerkstelligen war, sofern man einander nicht vorlas – und ich

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