Das Blut Des Daemons
davon begeistert gewesen sein, dass sein Bruder sich ausgerechnet in mich verliebthatte; bisher hatte ich allerdings darauf gesetzt, dass er bereit war, Julien diesbezüglich zu helfen, wenn er es schon nicht für mich tat. Doch nach dem, was inzwischen geschehen war, fürchtete ich, dass wir auch darauf nicht mehr hoffen konnten.
Juliens Hand schwebte einen Moment über seinem Läufer, doch dann zog er mit seiner Königin, ehe er vom Brett aufblickte. »Eigentlich wollte Vlad ihn dir morgen vorbeischicken.«
»Oh.«
»Genau. – Wir haben also fünf, vielleicht auch sechs Tage Zeit, uns eine neue Ausrede einfallen zu lassen. Oder du musst ihn empfangen.«
»Hat er dir gesagt, wie der Glückliche dieses Mal heißt?« Ich brachte meinen eigenen verbliebenen Läufer vor seiner Königin in Sicherheit.
»Olek Nareszky.«
»Klingt russisch oder tschechisch? – Weißt du etwas über ihn?«
»Seine Familie herrscht seit ungefähr fünfzig Jahren über Genf. Unabhängig davon hat er es aus eigener Kraft schon ziemlich weit geschafft. Er ist ein knappes halbes Jahrzehnt älter als ich. Soweit ich das beurteilen kann, integer und loyal. Steht zu seiner Familie, auch wenn er sich von seinem Vater – beziehungsweise seinem Großvater, der ist noch der Patriarch der Nareszkys – nichts vorschreiben lässt. Und von anderer Seite kamen meines Wissens bisher auch keine Klagen über ihn.«
»Von anderer Seite?«
Er hob eine Braue. »Weiblicher Seite.«
Ich versuchte diesmal nicht wieder rot zu werden. »Das klingt, als würdest du ihn mögen.«
»Sagen wir so: Ich kann ihn respektieren.«
Bei meiner nächsten Frage war mir ein wenig unbehaglich. »Könnte er etwas mit Gérard zu tun haben?« Gérard, der irgendwelche Pläne mit mir hatte.
»Mehr als unwahrscheinlich. Die Nareszkys sind Gérard in der Vergangenheit im Rat bei mehr als einer Gelegenheit böse in die Parade gefahren. Wer einmal gegen ihn ist, ist immer gegen ihn. Ganz davon abgesehen wäre ihm ihre Blutlinie vermutlich auch nicht alt genug.« Julien platzierte seinen Turm neben einem meiner Bauern. »Du bist übrigens in vier Zügen matt, wenn du nicht aufpasst.«
Es war irgendwie beruhigend zu wissen, dass dieser Heiratskandidat – zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit – nicht wieder ähnliche Spielchen im Sinn haben würde wie Bastien. Nicht dass es von Bedeutung gewesen wäre, da ich diesem Olek vermutlich ohnehin niemals persönlich gegenüberstehen würde.
Verwirrt blickte ich auf das Brett. Matt? In vier Zügen? In welche Falle war ich ihm dieses Mal getappt? Ich konnte es beim besten Willen nicht sehen.
»Wo?«
Julien gönnte mir ein süffisantes Lächeln, schwieg aber. – Wie er es vorausgesagt hatte, war ich vier Züge später matt.
Mit einem resignierten Laut legte ich meinen König um.
»Noch eine Revanche?«
»Willst du jetzt auch noch den letzten Rest meines Selbstbewusstseins zunichtemachen?« Ich funkelte ihn in gespieltem Ärger an. Nicht dass ich auch nur den Hauch einer Hoffnung hegen konnte, ihn jemals auch nur ansatzweise einschüchtern zu können.
Abwehrend hob er die Hände. Doch dann war Juliens gute Laune schlagartig wie weggewischt und sein Blick wurde prüfend, während er sich daranmachte, die übrigen Figuren vom Brett zu stellen, damit er es umdrehen und sie in eshineinräumen konnte. »Jetzt hungrig?«, erkundigte er sich nach einem weiteren Moment.
Diesmal brachte der Gedanke an Essen wieder das nur zu bekannte Unwohlsein mit sich. Ich schüttelte den Kopf.
»Etwas dagegen, wenn ich mir etwas zu trinken mache?«
Erschrocken sah ich ihn an. Nicht weil ich fürchtete, er könne seinen Hunger von einer Sekunde zur anderen nicht mehr kontrollieren und über mich herfallen, sondern weil sich mein schlechtes Gewissen regte: Jeder Augenblick in meiner Gegenwart stellte Juliens Selbstbeherrschung auf eine harte Probe. Je länger er nicht trank, umso schlimmer wurde es für ihn. Ein Grund, weshalb er, seit er mit mir zusammen war, deutlich häufiger auf die Jagd ging, als er normalerweise musste – und nach den Gesetzen der Lamia eigentlich durfte. Doch seit meine Anfälle immer öfter und vollkommen unvorhersehbar kamen, wagte er es immer seltener, mich allein zu lassen. Und obendrein gab er mir von seinem Blut, um mich zumindest halbwegs bei Kräften zu halten. – Wann hatte er selbst das letzte Mal getrunken? Vor seinem Aufbruch nach Marseille? Dort? Nach seiner Rückkehr? Ich wusste es nicht.
»Natürlich
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