Das Blut des Mondes (German Edition)
Kopf? Warum kann ich nicht einmal mehr ein so einfaches Geisteranrufungsritual ausführen?“ Sie stand schimpfend vor dem Spiegel und funkelte ihr Gegenüber zornig an.
Dann beschloss sie, sich erst einmal ein Bad zur Entspannung im Whirlpool zu gönnen. Vielleicht gelang ihr die Grübelei besser, wenn sie im Wasser lag? Wasser, das Naturelement der Fürstin Neelahjah. Vielleicht half es …
***
Ann legte die Hand auf den großen Felsen und sofort durchfuhr sie eine Wärme, wie sie sie noch niemals zuvor gespürt hatte. Es war wie ein nach Hause kommen. Ihre Augen schlossen sich ganz automatisch und keine Sekunde später eröffnete sich ihr eine Welt, die so anders war, als alles, was sie kannte.
Sie spürte das Wasser um sich und trieb wie schwerelos darin herum. Himmlische Klänge, ein wunderschöner Singsang, drangen an ihr Ohr und ein helles Glitzern am Meeresgrund erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war wie eine Art Strudel, der sich bewegte und zeitgleich eine ungeheure Anziehungskraft auf sie ausübte. Es fiel ihr schwer, sich von ihm fernzuhalten, obwohl ihre Intuition ihr sagte, dass es besser wäre. Doch der Sog des Strudels war so stark, dass er sie immer näher zu sich zog. Sie konnte nichts dagegen tun. Machtlos trieb sie ihm entgegen und sofort schob sich ein Unbehagen wie eine dunkle Wolke in ihr Innerstes.
Sie öffnete den Mund, um zu schreien …
„Ann! Ann! Sieh mich an. Wach auf! Ann!“
Eine Stimme, die ihr seltsam vertraut war, drang in ihr Bewusstsein. Doch erst, als sie unsanft am Arm gegriffen und ihre Hand von dieser wohligen Wärme fortgezogen wurde, kam Ann langsam zu sich.
„Au! Was …?“ Sie war verwirrt. Sie fühlte sich wie in einem Dämmerzustand. Der Nebel um sie herum lichtete sich nur langsam und es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihre schweren Lider öffnen konnte. Sie sah in Levians blaue Augen und erkannte die Besorgnis in ihnen. Auch der Klang seiner Stimme war anders, als sie ihn gewohnt war. Sie kniff die Augen fest zusammen, konzentriert darauf, den Schwindel in ihrem Kopf loszuwerden und atmete tief durch.
„Was ist passiert?“, flüsterte sie. Ihr war schlecht und schwindelig, ihr Kopf dröhnte und sie fühlte sich, als hätte sie eine starke Grippe in den Gliedern stecken. Gleich darauf merkte sie, wie ihre Beine drohten, unter ihr wegzusacken und Hilfe suchend griff sie um sich. Sie spürte zwei starke Arme, die sie hielten und sie vorsichtig ins Gras legten. Ihre Beine wurden angehoben und eine warme Hand legte sich ihr auf die Stirn. Sofort wurde es besser. Der Schwindel verflog, die Übelkeit ebenso und auch der Kopfschmerz verschwand so schnell, wie er gekommen war. Erleichtert vernahm sie die Realität um sich herum. Das Kreischen der Möwen, das Schlagen der Wellen, das Pfeifen des Windes und die Wärme von Levians Hand auf ihrer Stirn. Sie öffnete vorsichtig die Augen, schluckte und krächzte: „Wow … was war das denn?“
„Geht´s Dir gut? Bist du okay?“ Levian sah sie aufmerksam an ohne auf ihre Frage einzugehen.
„Ja, ich glaube ja. Alles gut“, antwortete sie ihm.
„Mein Gott! Du hast mir einen Heiden Schreck eingejagt!“
„Tut mir leid. Das wollte ich nicht“, stammelte sie schuldbewusst.
„Hör auf dich zu entschuldigen. Das musst du nicht. Ich hatte nur Angst um dich. Auf einmal verdrehst du die Augen und bist nicht mehr ansprechbar. Ich dachte … ich dachte … ach, ich weiß nicht, was ich gedacht habe.“ Levian brach ab.
Ann erkannte die immer noch bestehende Sorge in seinem Gesicht. Sie versuchte ein keckes Lächeln. „Du hattest Angst um mich? Wow! Das finde ich gut.“
„Ann, hör auf! Du hättest dich mal sehen müssen … das war Angst einflößend!“, schimpfte er nun.
„Okay, sorry. Es … tut mir leid. Ich wollte nicht blöd sein.“
„Was war los?“ Er ging nicht auf ihre Entschuldigung ein, sondern sah sich aufmerksam an.
Ann überlegte. Was war los gewesen? Sie erinnerte sich an alles. An das Wasser, das sie umgab, an den Strudel, der sie angezogen und fast mit sich gerissen hatte, an den Gesang, den sie meinte gehört zu haben. Ein Gesang, der sie magisch anzog. Genau wie der Strudel. Und dann erinnerte sie sich an Augen. Ein paar dunkle Augen sahen ihr aus eben diesem Strudel entgegen und sie war nicht in der Lage gewesen, sich diesem Blick zu entziehen.
Gänsehaut überzog ihre Arme, als sie sich erinnerte, dass sie diese Augen schon einmal gesehen hatte.
„Also? Was war los?“
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