Das Blut des Skorpions
Handeln geschickt genug anstellte, würde er vielleicht eine Zeit lang gar keine Geldsorgen mehr haben.
Er schob das Schmuckstück wieder in die Rocktasche und kehrte auf die Hauptstraße zurück, wo er sogleich den Weg zum Collegium Romanum einschlug.
Es war nicht nur die Aussicht auf einen üppigen Geldsegen, die ihn antrieb. Der kleine Skorpion, der im Innern des Bernsteins zu schwimmen schien, hatte ihn neugierig gemacht. Sosehr er auch seine Fantasie bemühte, konnte er sich doch nicht vorstellen, wie das Insekt in diesen Stein hineingekommen war, und er hoffte, dass Pater Kircher ihm dieses merkwürdige Phänomen erklären würde.
Er brauchte nicht lange bis zum Jesuitenkolleg, denn der Gedanke an eine ebenso ansehnliche wie unerwartete Einnahme verlieh ihm Flügel.
Mit langen Schritten ging er durch den Haupteingang und rannte fast die Treppe hinauf, die zu Kirchers Räumen führte.
Im Korridor wurde er vom Diener Fernando aufgehalten, der gerade in diesem Moment aus dem Schlafzimmer des Geistlichen kam.
»Ich muss mit Pater Kircher sprechen«, sagte der Maler und verlieh seiner Stimme die größtmögliche Autorität, »es geht um eine dringende Angelegenheit.«
»Pater Kircher ist unpässlich, Signore«, antwortete der Diener, »er hat ausdrücklich darum gebeten, nicht gestört zu werden.«
»Ich kann nicht warten«, insistierte Fulminacci. »Wenn er den Grund meines Besuches erfährt, wird er froh sein, mich empfangen zu haben. Geh und melde mich ihm!«
Fernando verstand, dass es keinen Zweck hatte, sich diesem Großmaul zu widersetzen. Sein herrisches, drohendes Verhalten schüchterte ihn jedes Mal aufs Neue ein. Mit einem ergebenen Seufzer kehrte er dem Maler den Rücken, klopfte unterwürfig an die Tür und trat ein.
Pater Kircher saß in seinem Sessel und starrte mit abwesendem Blick in den blauen Himmel. Seine herabhängenden Schultern, die im Schoß gefalteten, bleichen und leicht zitternden Hände, der halb geöffnete Mund – alles an ihm sprach von seinem inneren Aufruhr.
Fernando richtete seinem Herrn den Wunsch des Malers aus und verhehlte auch nicht dessen Beharrlichkeit.
Kircher rieb sich müde die Augen.
»Dieser Mensch gibt nie auf«, sagte er mit leiser Stimme. »Führ ihn herein, Fernando. Da wir ihn anders nicht loswerden, wollen wir wenigstens hören, was er will.«
Sobald er vor dem Pater stand, berichtete Fulminacci, was er im Laufe des Vormittags erlebt hatte, und gab ihm das Schmuckstück.
Kircher wirkte geistesabwesend und nahm es, ohne es anzusehen. Es kostete ihn offenbar eine gewisse Anstrengung, seine Augen auf den schimmernden Bernstein zu richten.
Doch kaum hatte er ihn bewusst betrachtet, veränderte sich seine Haltung vollkommen. Sein vorher schon blasses Gesicht wurde weiß wie die Wand, und er fing an, in seiner Muttersprache zu stammeln: »Mein Gott… mein Gott…«
Wie hypnotisiert starrte der Pater den Gegenstand einen endlosen Augenblick an, dann erschlaffte seine Hand, sodass das Schmuckstück auf den Teppich fiel und ein Stück davonrollte. Kircher wollte sich aus seinem Sessel erheben, aber die Beine gehorchten ihm nicht, und er sank entkräftet in das weiche Polster zurück.
Fulminacci stürzte zu ihm, besorgt und verwirrt über seine Reaktion und voller Angst, ein ernstes Übel könnte den Pater befallen haben.
Die Hände des Jesuiten waren eiskalt, die Lippen bläulich, und sein Atem ging keuchend.
Weil der Maler nicht wusste, wie er sich nützlich machen konnte, rannte er zur Tür und rief nach dem Diener, der in der Nähe geblieben war und sofort herbeieilte.
Umsorgt von Fernando schien Kircher kurz zu sich zu kommen und riss die Augen weit auf, aber sein Blick war glasig.
»Ist es immer noch nicht vorbei?«, murmelte er und fiel wieder in seinen halb bewusstlosen Zustand zurück.
Fernando lief hinaus, um einen Arzt zu rufen, und da dieser ebenfalls der Gesellschaft Jesu angehörte, traf er innerhalb weniger Minuten ein.
Der Arzt schickte den Maler barsch weg und trug Kircher mit Fernandos Hilfe zum Bett. Es vergingen mehrere Minuten, ehe der Pater das Bewusstsein wiedererlangte.
Als Kircher die Augen aufschlug, befand er sich in einem Zustand tiefer Erschöpfung, weshalb der Arzt auf sein ursprüngliches Vorhaben, einen Aderlass vorzunehmen, verzichtete. Stattdessen ließ er einen Kelch mit starkem griechischem Wein aus Monemvassia kommen, dem er ein paar Gewürze hinzufügte, und verabreichte mit Fernandos Unterstützung dem Kranken
Weitere Kostenlose Bücher