Das Blut des Skorpions
ein paar Schluck davon.
Der Wein brachte wieder etwas Farbe auf die Wangen des Paters, der sogar die Kraft fand, seinen Helfern zu danken und sie zu bitten, ihn nun ein wenig ruhen zu lassen.
Widerstrebend zogen sich die beiden Männer zurück, ließen die Tür aber halb offen stehen. Fernando würde direkt davor Wache halten und bei Bedarf sofort an das Lager seines Herrn eilen.
Als er allein war, schloss Kircher erschöpft die Augen. Der Wein hatte seinen Körper gewärmt, aber seine Seele war von einer Kälte durchdrungen, die durch nichts gelindert werden konnte.
Es war die Kälte eines Winters vor vielen Jahren, über vierzig mochten es jetzt sein, eines schrecklichen Winters in der jesuitischen Novizenschule von Paderborn in Deutschland, seiner Heimat.
Zu dieser Zeit war er noch ein Student gewesen, kaum mehr als zwanzig Jahre alt, hatte aber bereits den Weg der Erkenntnis und des Wissens beschritten.
Das Leben in der Novizenschule verlief ruhig und geordnet, bestimmt von Studien und Gottesdiensten. Der Lärm des weltlichen Lebens blieb hinter den schützenden Mauern zurück, und nichts schien den Frieden der Gemeinschaft stören zu können.
Bis die klösterliche Stille in einer stürmischen Nacht von einem markerschütternden Schrei zerrissen worden war.
Aufgeschreckt von diesem ungewöhnlichen und schaurigen Laut waren die Novizen in die Korridore geströmt, wo sie ängstlich und verwirrt miteinander tuschelten.
Einer der Patres hatte einen jungen Novizen barbarisch ermordet in seiner Zelle aufgefunden.
Kircher, dessen Zelle sich im selben Flügel des Gebäudes befand, gelangte als einer der Ersten an den Ort der Untat.
Die Leiche lag ausgestreckt auf dem kalten Steinfußboden, das lange Nachthemd war bis zum Oberkörper hochgeschoben, und die nackten Beine waren obszön entblößt. Aber das war nicht das Schlimmste. Jemand brachte eine Laterne, worauf sich den jungen Männern ein Anblick bot, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Leiche fehlte der Kopf, er war in die andere Ecke der Zelle gerollt, wo er mit dem Ausdruck des Entsetzens an die Decke starrte.
Das Blut, das immer noch in Rinnsalen aus dem Hals des Toten floss, bedeckte den Fußboden und sammelte sich zu einer großen Pfütze, die schon fast an den nackten, starren Füßen der umstehenden Novizen leckte.
Furcht und Schrecken loderten in den verstörten Gemütern der jungen Männer auf wie ein Feuer in trockenem Gras, und die Aufsicht führenden Mönche hatten nicht wenig Mühe, die Ordnung wiederherzustellen.
Am nächsten Morgen wurde eine Untersuchung eingeleitet, und alle Schüler wurden danach befragt, ob sie während der Schreckensnacht etwas Außergewöhnliches gehört oder gesehen hätten.
Das Ergebnis war entmutigend.
Niemand wusste etwas Erhellendes zu sagen, denn zum Zeitpunkt des Verbrechens hatten alle tief und fest geschlafen.
Die folgenden Tage vergingen in einem Klima nervösen Misstrauens. Jeder beobachtete seinen Nachbarn und fragte sich, ob der Mitbruder, der bei der Morgenandacht neben ihm saß oder die Abendmahlzeit ihm gegenüber einnahm, am Ende der brutale Mörder war, der das Leben im Novizeninternat erschüttert hatte.
In der Woche darauf wiederholte sich die Tat. Diesmal war das Opfer ein Schüler aus dem Norden des Landes, ein großer, fröhlicher und gutmütiger Junge, der von allen gemocht wurde.
Die Tatumstände waren dieselben. Es wurden keine Spuren gefunden, und keine Zeugenaussage konnte Licht auf diesen zweiten Mord werfen.
In der Novizenschule bildeten sich gegensätzliche Lager, die die Vorfälle unterschiedlich auslegten, und es kam zu heftigen Streitigkeiten, die von den Oberen mit ungewöhnlicher Härte beigelegt wurden.
Um wenigstens einen Anschein von Ordnung aufrechtzuerhalten, ordneten die leitenden Patres nächtliche Patrouillen an, in der Hoffnung, dass eine breite und engmaschige Überwachung des Gebäudes eine Wiederholung der erschütternden Vorfälle verhindern möge.
Es wurden Wachdienste eingeteilt, von denen keiner der Schüler ausgenommen werden durfte. Ihre Runden sollten die ganze Schule abdecken, und die Novizenpaare, welche die Gänge abgehen sollten, wurden durch das Los bestimmt, damit keinerlei Verdacht einer Komplizenschaft aufkommen konnte.
In einer Nacht in der folgenden Woche geschah es, dass Kircher, als er in den stillen, kalten Korridoren auf Patrouille ging, dem Bösen plötzlich Auge in Auge gegenüberstand.
Er war in Gesellschaft seines
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