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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Zellennachbarn, eines Jünglings aus München von stattlichem Körperbau und munterem Wesen, als sein Kamerad ein unaufschiebbares Bedürfnis verspürte und in Richtung der Latrine verschwand. Auf Kirchers Einwände hin lachte er nur und sagte, dass er doch nur kurz fort sein werde. Kircher starb fast vor Angst bei dem Gedanken, allein in dem dunklen Gang zurückzubleiben, aber um nicht als Feigling zu gelten, fand er sich schließlich damit ab, geduldig auf die Rückkehr seines Kameraden zu warten.
    Allerdings wollte er nicht mitten im Korridor stehen bleiben, wo ihn jeder sehen konnte, sondern beschloss, sich in einer Nische zu verkriechen. Es ging ja nur um ein paar Minuten, dachte er.
    In der Wandnische stand eine Statue, die einen der Gründer der Novizenschule darstellte und hinter die sich Kircher nun zwängte, sodass er von einem Vorbeigehenden nicht gesehen werden konnte.
    Es herrschte eine Eiseskälte im Gang, aber die Nacht war schon weit fortgeschritten, und die Müdigkeit begann die Oberhand über seine Furcht zu gewinnen, sodass er, ohne es zu merken, einnickte.
    Kircher hatte keine Ahnung – niemand konnte so etwas ahnen –, was das Schicksal, der Zufall oder für einen Gläubigen wie ihn der Wille des Schöpfers seine schläfrigen Augen kurz darauf erblicken lassen sollte.

KAPITEL V
     
    In dem Dämmerzustand, in dem er sich befand, weder schlafend noch wachend, hörte Kircher die Schreie nicht gleich, die aus einem der Seitengänge zu ihm drangen.
    Es dauerte einen Moment, bis er wieder Herr seiner Sinne war. Er schüttelte den Kopf, um sein benebeltes Gehirn klar zu bekommen, und vernahm auf einmal neben dem fernen Lärm der Schreie leise Schritte, die sich näherten.
    Weil er dachte, es sei sein Kamerad, der endlich zurückkam, wollte er gerade sein unbequemes Versteck verlassen, konnte sich jedoch kaum bewegen, so steif waren seine Glieder vor Kälte und Reglosigkeit.
    Das war sein Glück.
    Direkt vor der Nische hielten die Schritte an. Die Beine eines Mannes, die in hohen Stiefeln aus weichem, dunklem Leder steckten, traten in die Einbuchtung und kamen nur eine Handbreit vor seinen weit aufgerissenen Augen zum Stehen.
    Der Mann drehte sich ein wenig zur Seite, vermutlich, um den dunklen Korridor überblicken zu können. Auf diese Weise geriet der Saum eines dunklen, aschfarbenen Umhangs in Kirchers Gesichtsfeld und gleich darauf auch das Aufblitzen eines gezückten Schwertes, von dessen Schneide lange Zungen frischen Blutes herabtropften.
    Es war ein ungewöhnlich geformtes Schwert, stellte der junge Mönch trotz seiner Todesangst fest, ganz anders als die Waffen der vielen Wachen und Soldaten, die sich in diesen unruhigen Zeiten in den deutschen Städten herumtrieben. Seine Klinge war lang und schmal und sah fast zerbrechlich aus, wäre nicht dieses unheimliche Funkeln gewesen, das von der schwachen Beleuchtung im Gang hervorgerufen wurde.
    Der Mann bewegte sich und hob das Schwert ruckartig nach vorn. Er atmete schwer, als wäre er gerade schnell gerannt, und sein Körper dünstete einen starken Schweißgeruch aus. In seiner kauernden Hockstellung konnte Kircher nur seine Beine und den breiten Gürtel erkennen, der um seine Hüften lag.
    Durch die Bewegung des Mannes verrutschte der Umhang ein Stück und öffnete sich so weit, dass Kircher rechts an seinem Gürtel einen Gegenstand bemerkte, nur ein paar Zentimeter von seiner steif gefrorenen Nase entfernt.
    Jemand musste Fackeln in dem Gang entzündet haben, der rechtwinklig zu diesem verlief, denn es gab auf einmal mehr Licht, das vermutlich von den hohen Fenstern reflektiert wurde.
    Der Schein war immer noch schwach, ermöglichte es dem jungen Novizen nun aber, den Gegenstand klar zu erkennen: Es war ein eiförmiger Bernstein in einer Silberfassung.
    Plötzlich erstarrte der Fremde und wurde zu einer zweiten Statue, vielleicht, weil er ein Geräusch gehört hatte. Das Pendeln des kleinen Schmuckstücks wurde langsamer und kam schließlich ganz zum Stillstand, sodass der arme Kircher es genauer betrachten konnte.
    In der Mitte des Bernsteins schwamm ein schwarzer Skorpion, dessen Schwanz mit dem tödlichen Stachel in einem anmutigen Schwung nach rechts gebogen war.
    Gelähmt vor Furcht, aber auch fasziniert von dem Anblick des Insekts verharrte der junge Mönch eine endlos erscheinende Zeit in dieser Position.
    Die Schreie ließen allmählich nach. Der Unbekannte sah sich um, trat von der Nische weg und entfernte sich mit schnellen, leisen

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