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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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abgebrühtesten Schurken eine Gänsehaut. Außerdem fand er mit jeder Minute, die verging, neue Mängel an ihrem kühnen Plan. Zu viele Schritte hingen von Eventualitäten ab, zu viele entscheidende Informationen mussten als lückenhaft und unvollständig angesehen werden, in zu vieler Hinsicht mussten sie sich auf den Zufall verlassen oder auf ihr Glück vertrauen. Wenn es stimmte, dass das Glück den Wagemutigen half, dachte der Maler angstvoll, so war es ebenso wahr, dass es den Unvorsichtigen und Leichtsinnigen gern ein Bein stellte.
    Fulminacci erging es wie allen Tatmenschen: Solange er handeln konnte und das Gefühl hatte, die Situation zu beherrschen, fühlte er sich unbesiegbar, aber sobald er aus irgendeinem Grund innehalten und nachdenken musste, war er hilflos.
    Erst die Ankunft Gerlandos und Giovanni da Camerinos erlöste ihn von seinen Grübeleien.
    Melchiorri übernahm es, dem Oberhaupt der Bettlergilde zu berichten, was geschehen war und was sie sich zu Beatrices Rettung überlegt hatten.
    »Ein gewagter Plan, kein Zweifel. Ich habe einen Cousin, der als Wärter in den Gefängnissen der Inquisition arbeitet. Er schuldet mir einen Gefallen so groß wie die Kuppel des Petersdoms, und ich glaube nicht, dass er wegen eines kleinen Wagnisses auf eine Entschädigung von, sagen wir, fünfzehn Scudi verzichten würde. Bereitet das Brot und die Botschaft für Beatrice vor. Ich kann ihr beides innerhalb einer Stunde zukommen lassen.«
    Melchiorri nahm ein kleines rundes Brot von seinem Schreibtisch und bohrte mit einem spitzen Messerchen ein Loch in die Unterseite, indem er die Kruste vorsichtig abhob und ein wenig Krume herauskratzte.
    »Wenn ich’s recht bedenke, ist es besser, ihr eine Ampulle mit der exakten Dosis zu schicken, statt das Brot damit zu tränken. Dann können wir sicher sein, dass sie die richtige Menge einnimmt«, sagte Melchiorri, während er das Brot mit der Fingerfertigkeit eines Mannes bearbeitete, der es gewohnt ist, mit empfindlichen Gegenständen umzugehen.
    Anschließend schob der Großmeister ein winziges Fläschchen aus dünnem Glas, in das er einen Teil der Flüssigkeit aus der größeren Phiole gegossen hatte, in das Loch und fügte noch eine Nachricht mit Anweisungen für die Flucht in sehr kleiner, aber gut leserlicher Handschrift hinzu.
    »Gut«, sagte er und übergab Giovanni da Camerino das in ein Leintuch gewickelte Brot, »möge das Glück mit uns sein!«

KAPITEL XLIII
     
    Die eisenverstärkte Zellentür öffnete sich mit lautem Quietschen, und Licht fiel von draußen herein.
    Als Beatrice merkte, dass keine Zeit mehr für ihre Verzweiflungstat blieb, ließ sie die Schlinge aus ihren kältestarren Fingern gleiten. Auch das letzte Fünkchen Energie erlosch in ihren zitternden Gliedern, sie stürzte auf das Lager, als hätten ihre Knochen sich aufgelöst wie Schnee in der Sonne, und schlug dabei mit der rechten Hüfte hart gegen die Holzpritsche. Nach der langen Dunkelheit blendete sie sogar das milde Licht der Laterne, sodass sie eine Hand vor die Augen halten musste.
    Für einen Moment war sie fast blind, doch dann gewöhnten sich ihre Augen an den Lichtschein, und sie erkannte eine Gestalt, die vorsichtig ihre Zelle betrat.
    »Wer… Wer seid Ihr?«, flüsterte sie kaum hörbar.
    »Habt keine Angst, ich bin ein Freund. Draußen gibt es Menschen, die Euch nicht vergessen haben. Ich soll Euch das hier von ihnen bringen.«
    Beatrice griff tastend nach dem Bündel, das der Mann ihr gab.
    »Was… wie… wer… ?«, murmelte sie schwach und brachte keinen einzigen Satz heraus.
    »Für Erklärungen ist keine Zeit. Ich habe mich schon genug in Gefahr begeben, ich muss gehen.«
    Ohne ein weiteres Wort und ohne auf ihr Gestammel zu achten, verließ der rätselhafte Mann die Zelle und verriegelte die Tür hinter sich.
    Beatrice saß wieder allein im Finstern.
    Das kurze Aufblitzen der schwachen Laterne aber hatte eine kleine Flamme der Hoffnung in ihrer gebrochenen Seele entzündet. Sie umklammerte das Päckchen wie einen Rettungsanker auf stürmischer See.
    Zuerst war sie zu überwältigt und aufgewühlt, um es näher zu untersuchen und festzustellen, um was es sich handelte.
    »Menschen, die Euch nicht vergessen haben.« Die wenigen Worte wirbelten in ihrem Kopf herum wie ein wild gewordener Kreisel, ohne dass sie die Kraft fand, vernünftig über sie nachzudenken. Sie drehte das Bündel weiter in ihren Händen, als wollte sie durch die fassbare Stofflichkeit des Gegenstandes

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