Das Blut des Skorpions
was Fulminacci vorübergehend lähmte. Das Funkeln im Blick des Paters war wie eine scharfe Klinge, die das geheimste Innere seiner Gedanken zu durchdringen schien. Das Funkeln von Fanatismus und Wahnsinn.
Auf einmal erkannte er, dass der Mönch gleich um Hilfe rufen würde, und beschloss zu handeln. Der Dominikaner war noch nicht ganz aufgestanden und öffnete gerade den Mund zum Schrei, als ihn Fulminaccis Faust am Kinn traf. Der Schlag wurde mit voller Kraft ausgeführt, eine präzise Gerade nach allen Regeln der Kunst und unter Zuhilfenahme der Schulter, um noch mehr Wucht hineinzulegen. So viel Einsatz wäre gar nicht nötig gewesen, denn schon ein leichter Haken hätte bei der Statur des Mönchs zum gleichen Ergebnis geführt.
Der Kopf des Paters flog nach hinten, und er hatte bereits das Bewusstsein verloren, bevor sein schmächtiger Körper auf dem Boden auftraf.
Fürs Erste war die Bedrohung abgewehrt, doch der Maler wusste, dass er sich noch immer in Gefahr befand. Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer der Wärter durch diesen Gang kam, und eine glaubwürdige Erklärung dafür zu finden, was er hier neben dem ohnmächtigen Dominikaner machte, würde nicht leicht sein.
Er musste sich etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
Den Mönch zu verstecken kam nicht infrage, denn die Zellentüren schienen alle verschlossen zu sein, und er konnte sich nicht erinnern, unterwegs irgendeine Nische gesehen zu haben, in der er ihn unterbringen könnte, ohne dass er gleich entdeckt würde.
Von Panik erfasst lief Fulminacci zu dem Vestibül zurück, wo er den Tisch voller Kleider gesehen hatte. Dort wühlte er in dem Haufen, bis er eine Art Laken fand, das groß genug für seine Zwecke war. Hastig kehrte er zum Ort des Zusammenstoßes zurück, wickelte den besinnungslosen Körper in den groben Stoff und lud ihn sich auf die Schultern.
Es war ein verrückter Plan, geradezu selbstmörderisch, aber in der Hektik und der Aufregung wusste er sich keinen besseren Rat.
Ungeachtet seiner geringen Größe und seiner Magerkeit wog der Mönch doch gut einen Zentner, und es war daher ein ächzender und schnaubender Fulminacci, der sich durch die Gänge schleppte und nach einem Ausweg aus dieser albtraumhaften Falle suchte.
Sollte ihn jemand anhalten, hatte er sich vorgenommen, seine Rolle als barmherziger Totengräber weiterzuspielen und darauf zu hoffen, dass niemand sich die Mühe machen würde, das Bündel auf seinen Schultern zu inspizieren.
Seine Tarnung wurde schon bald auf die Probe gestellt, denn nach wenigen Dutzend Schritten traf er auf einen Wärter, der in die andere Richtung unterwegs war.
»Wir verschaffen Euch ordentlich Arbeit, was?«, sagte der Wärter in dem heiteren, leutseligen Ton eines Mannes, der reichlich dem Wein zugesprochen hatte.
»Äh, ja, ganz recht…«, antwortete der Maler. »Verzeiht, Kerkermeister, aber ich glaube, ich habe mich verlaufen. Ich muss zu den Ställen, wo mich meine Brüder erwarten. Könnt Ihr mir vielleicht den schnellsten Weg dorthin weisen?«
»Ach, ein Neuling! Aber gewiss, Bruder, das ehrenwerte Wachkorps der heiligen Inquisition wird doch den guten Männern, die eine so wichtige Aufgabe verrichten, nicht die Hilfe versagen. Wenn unsere Freunde von den Bruderschaften nicht wären, um die Leichen wegzuschaffen, würden diese Gänge bald… wie soll ich sagen… zum Himmel stinken!«
Ein dröhnendes Lachen begleitete diesen makabren Scherz.
»Also, lasst mal sehen…«, fuhr der Wärter fort, als sein Hohngelächter verebbt war, »… am Ende dieses Korridors geht Ihr nach rechts bis zur nächsten Weggabelung, dort biegt Ihr wieder nach rechts ab. Nach ein paar Metern kommt Ihr zu einer Treppe, die Ihr zum oberen Stockwerk hinaufsteigt. Von dort aus haltet Ihr Euch immer links und gelangt so in den Innenhof. Die Ställe liegen direkt gegenüber auf der anderen Seite, Ihr könnt sie nicht verfehlen.«
»Seid bedankt, Kerkermeister«, sagte Fulminacci und rückte das Gewicht des Dominikaners auf seinen Schultern zurecht.
»Keine Ursache, Bruder, keine Ursache.«
Der Mann ging in der anderen Richtung davon, wobei er weiter vor sich hin gluckste.
Ohne Zögern folgte Fulminacci seiner Beschreibung und kam bald zu der Treppe. Der Aufstieg war alles andere als leicht. Die Last auf seinem Rücken brachte ihn zum Keuchen, und er musste sich gehörig anstrengen, um die nächste Etage zu erreichen.
Die Wegbeschreibung erwies sich immerhin als genau, sodass er kurz darauf
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