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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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den Innenhof überquerte und schnaufend die Ställe des Palastes betrat, ohne einer lebenden Seele zu begegnen.
    Als er durch das niedrige, lang gestreckte Gebäude schlurfte, war er am Ende seiner Kräfte. Der Schweiß rann ihm in die Augen, doch wegen der Kapuze, die er nicht abzunehmen wagte, konnte er ihn nicht abwischen.
    Fast blind vor Erschöpfung und von den salzigen Tropfen merkte Fulminacci nicht, dass jemand auf ihn zukam.

KAPITEL XLV
     
    Der Skorpion saß allein in dem kleinen Schlafzimmer, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, und schliff die Klinge seines Schwerts mit einem milchfarbenen Stein.
    Das Zimmer wurde nur von einer schwach brennenden Öllampe erhellt, die auf einer wackeligen Kommode stand, dem einzigen Möbelstück außer dem niedrigen Bett, auf dem er saß.
    Er schien ganz in seine Tätigkeit versunken zu sein, doch seine Gedanken schweiften immer wieder zu den Geschehnissen der vergangenen Nacht ab und gingen noch einmal jede Einzelheit durch.
    Bei seinem Eindringen in den Palazzo Salvaneschi wäre er beinahe gefasst worden, und wenn der Franzose nicht diese kleine Unvorsichtigkeit begangen hätte, wäre er, der Skorpion, der ungreifbare Meuchelmörder, der Schrecken aller Mächtigen, jetzt bloß noch ein weiterer zerstörter Mythos.
    Er fragte sich, was er getan hätte, wenn der Musketier nicht so unbesonnen gewesen wäre, ihm eine Fluchtmöglichkeit zu öffnen.
    Hätte er sich widerstandslos ergeben? Oder hätte er versucht, sich der Verhaftung zu entziehen, und den sicheren Tod in Kauf genommen?
    Sosehr er sich auch selbst erforschte, fand er doch keine Antwort auf diese Fragen.
    Er war sich stets der tödlichen Risiken seines Berufs bewusst gewesen, der Möglichkeit, dass ihn jederzeit der Todesstoß treffen konnte, doch das war eben eine logische, rationale Erwägung. Das Wissen darum, von einem Moment auf den anderen sterben zu können, hatte nie seine Entschlossenheit gemindert, die übernommenen Aufgaben zu Ende zu bringen und seinen Verpflichtungen nachzukommen. Diesmal aber empfand er anders.
    Noch nie war er dem Tod so nahe gewesen, noch nie hatten die feindlichen Klingen seine Haut so dreist geritzt. Aber es war nicht nur das. Offenbar hatte er selbst sich verändert, ohne es zu merken. Das Alter hatte seine Beharrlichkeit gemindert, seine Verwegenheit gedämpft. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er vorsichtiger, besonnener, zögerlicher geworden war.
    Und das war bei seiner Arbeit ein unverzeihlicher Fehler.
    Vorsicht und Besonnenheit stellten eher ein Hindernis als einen Vorteil dar, wenn für das Gelingen eines Unternehmens Kühnheit und Entschlossenheit gefragt waren.
    Jedes Zaudern, jedes Schwanken konnte fatale Folgen haben.
    Vielleicht hätte er diesen Auftrag nie annehmen dürfen, vielleicht wäre es besser gewesen, sich aus der Sache zurückzuziehen, wie er es schon öfter erwogen hatte.
    Doch nun war es zu spät.
    Er war zu weit gegangen, um noch einen Rückzieher zu machen. Weniger seines Auftraggebers wegen als um seiner selbst, seiner Selbstachtung willen. Allein die Vorstellung, dass er bei seinem letzten Auftrag versagen sollte, war inakzeptabel.
    Nein. Er musste zu der Entschlossenheit seiner besten Zeiten zurückfinden.
    Seine körperliche Verfassung war nach wie vor ausgezeichnet, sein Auge scharf, die Hand sicher. Es gab keinen Grund, sich in Zweifel und Grübeleien zu verlieren. Der Skorpion war immer noch der Skorpion, und ganz Rom würde das erkennen.
    Seine letzte Aktion war ein Fehlschlag gewesen, wohl wahr, aber die nächste würde perfekt werden, ein Erfolg auf ganzer Linie, davon musste er selbst überzeugt sein.
    Schluss mit Tricks und Umwegen, Schluss mit ausgefeilten Plänen – diesmal würde er direkt und ohne Zeitverlust handeln.
    Schnell und tödlich. Wie in den guten alten Zeiten.
    Dazu aber musste er sich als Erstes der hinderlichen Überwachung durch seine neuen Verbündeten entledigen, die viel zu interessiert an seinen Aktivitäten waren. Er war von jeher ein einsamer Wolf gewesen, unvorhersehbar und unkontrollierbar und gerade deshalb tödlich erfolgreich. Wenn er sich der Hilfe anderer bedient hatte, dann waren das stets nur gelegentliche, zweckgerichtete Bündnisse mit klarer Rollenverteilung gewesen.
    Er musste diese einengende Umgebung so schnell wie möglich verlassen und die Bewegungsfreiheit zurückgewinnen, die seine große Stärke war.
    Er beschloss, noch ein paar Stunden zu warten und dann in tiefster Nacht das

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