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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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dass er mit dem Höhepunkt des Naturschauspiels zusammenfiel, waren die Gemüter der Gäste auf Erstaunen und Bewunderung eingestimmt.
    Nur der Maler empfand das Spektakel als zu makaber für seinen Geschmack. Dieser Triumph von Rot, dieser purpurn gefärbte Fluss löste Assoziationen von strömendem Blut bei ihm aus - von solchem, das bereits geflossen war, und solchem, das noch vergossen werden würde. In dem Gedränge der aus dem Saal strömenden Gäste hatte Fulminacci zwar darauf geachtet, nicht von Beatrice getrennt zu werden, dafür aber seinen Freund Melchiorri aus den Augen verloren. Sobald die beiden im Freien waren, machten sie sich auf die Suche nach ihm.
    Es wurde Zeit, dass Melchiorri wie versprochen mit einem Ausweg aus ihrem Dilemma aufwartete. Das Fest würde nicht ewig dauern, es wimmelte überall vor möglichen Hinterhalten und tödlichen Gefahren, und eine geniale Idee, wie man sich aus dieser verdammten Klemme befreien könnte, käme jetzt genau recht.
    Der Maler konnte nicht ahnen, dass sein Freund längst tätig geworden war. Der lange und gelehrte Disput mit den beiden vortrefflichen Wissenschaftlern über astronomische Phänomene hatte dazu geführt, dass er seine heitere Gelassenheit und ruhige Urteilskraft wiedergefunden hatte, die ihm im Verlauf der letzten aufgeregten Stunden etwas abhandengekommen waren.
    Mit der inneren Ruhe hatte der Großmeister auch seine besondere Fähigkeit zurückgewonnen, brillante Lösungen für die kompliziertesten Probleme zu finden.
    Die Erleuchtung war ihm ganz plötzlich gekommen, als er zusammen mit der großen Gästeschar durch die hohen Terrassentüren in den Park entschwunden war. Es war eine Art Geistesblitz gewesen, der alle Zweifel und Unschlüssigkeiten vertrieben hatte.
    Wie so häufig besaß der Plan, der in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte, den schönen Vorzug der Einfachheit. Seit Stunden hatte er sich den Kopf zerbrochen, hatte immer kompliziertere Ideen entwickelt und schließlich wieder verworfen, weil sie allzu viele Vorbereitungen erforderten oder schlichtweg undurchführbar waren.
    Nicht, dass sein Vorhaben völlig frei von Risiken gewesen wäre. Im Gegenteil, auch der verwegenste Abenteurer hätte es wohl als Husarenstück angesehen, aber der Verstand des Großmeisters arbeitete eben nur auf diese Weise. Hatte er einmal einen Plan gefasst, so waghalsig und verrückt er auch scheinen mochte, führte er ihn ohne Rückzieher, ohne Zaudern und Schwanken angesichts der Gefahren durch. Je höher die Risiken, desto größer seine Erregung in Erwartung der Schritte, die zur Erlangung des Ziels unternommen werden mussten.
    Der Großmeister ließ keine Minute zwischen der Idee und ihrer Ausführung verstreichen. Sogleich setzte er sich in Bewegung und durchdachte dabei die noch unklaren Einzelheiten, die nötige Zeit, die genaue Vorgehensweise sowie die Abfolge der Ereignisse und passte den Plan entsprechend an, damit er gelingen konnte.
    Es war noch früh, das Fest hatte gerade erst begonnen und würde die ganze Nacht weitergehen. Melchiorri sagte sich, dass er an Bernardo Mutis Stelle abwarten würde, bis die Trinkgelage und anderen Vergnügungen ihren Höhepunkt erreicht hatten. Wenn der Wein erst einen Großteil der Gäste trunken gemacht hatte, würde es ein Leichtes sein zuzuschlagen. Nach dem Feuerwerk, den Gesellschaftsspielen, den musikalischen Darbietungen und dem großen Bankett würde sich die Festgesellschaft langsam zerstreuen, die Älteren würden auf irgendeiner Chaiselongue einschlafen und die Liebestollen würden sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ihre zügellosen Affären zu verfolgen – das wäre der richtige Moment, um die Missetat zu begehen.
    Folglich hatte Melchiorri noch mehrere Stunden zur Verfügung, um alles Nötige zu veranlassen.
    Mit lässiger Haltung schlenderte er auf den Rand der großen Rasenfläche zu. Die untergehende Sonne tauchte gerade endgültig in den purpurnen Wassern des Tibers ab, doch die Dienerschaft hatte die Laternen und Fackeln noch nicht entzündet, sodass die Dämmerung eine ideale Deckung bot, um sich unbemerkt davonzustehlen.
    Niemand hielt ihn auf, da alle in die andere Richtung blickten, und so konnte Melchiorri unbehelligt um die linke Ecke des Palasts biegen und schnelleren Schritts auf sein Laboratorium zueilen.
    Seinen Assistenten und dem Dienstpersonal war es verboten worden, den Pavillon zu verlassen, damit sie sich nicht unter die hochwohlgeborenen Gäste der Königin

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