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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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herunter, wobei er dem frischen Nordwind dankbar war, der sein Tun vollkommen natürlich erscheinen ließ.
    Auf der anderen Seite des Platzes ging er durch ein paar baufällige Arkaden und bog dann in eine Gasse voller Karren und Unrat ab. Er war fast am Ziel. Nur noch wenige Dutzend Schritte trennten ihn von der Sicherheit seines Schlupfwinkels, wo er sich neu ausrüsten und über sein weiteres Vorgehen nachdenken konnte.
    Trotzdem ließ er nicht in seiner Wachsamkeit nach. Ehe er um die letzte Ecke bog, blieb er stehen, reckte den Hals und überzeugte sich, ob die Luft rein war.
    Der Skorpion war ein kaltblütiger, erbarmungsloser Mörder, der sich nie von Gefühlen beherrschen ließ, doch selbst ihm schlug das Herz bis zum Hals, als er die sechs Männer sah, die das Haus bewachten.
    Er hatte keinen Zweifel, dass sie auf ihn warteten.
    Ruckartig zog er den Kopf zurück und machte kehrt.
    Seine drei Gehilfen waren außer Gefecht gesetzt worden, so viel stand nun fest, und ebenso, dass einer von ihnen gesungen hatte, vermutlich unter Folter. Der Anführer der drei, ein Schweizer namens Manfred, war auch der Einzige, der Kontakt zum Rest der Bande hielt. Deren Mitglieder waren vor Ort angeworben worden, damit sie niemanden auf die Spur des Skorpions führen konnten, falls sie gefasst würden. Eine normale Sicherheitsvorkehrung, die er immer traf, nur dass sie sich diesmal gegen ihn wandte.
    Jetzt, da Manfred aus dem Spiel war, konnte er keinen Kontakt zu den Männern aufnehmen.
    Von diesem Moment an war er auf sich allein gestellt.
    Es war jedoch nicht das erste Mal, dass er sich in dieser Lage befand. Im Gegenteil, in den Anfängen seiner Laufbahn hatte er immer und ausschließlich allein gearbeitet. Er erinnerte sich noch gut an seine Taten in jenem Jesuiteninternat in Paderborn vor fast einem halben Jahrhundert. Viele Nächte lang war er in diesen angeblich so sicheren Mauern ein- und ausgegangen wie ein Schatten oder ein Geist, und seine Klinge hatte nie ihr Ziel verfehlt. Nur eine Reihe von unerwarteten politischen Ereignissen hatte ihn daran gehindert, seinen Auftrag zu vollenden. Die Gewohnheit, gelegentlich mit Komplizen zusammenzuarbeiten, hatte er erst in den letzten Jahren angenommen. Vielleicht war er mit dem Alter etwas verweichlicht.
    Doch jetzt war es wieder wie früher.
    Er war frei und im Besitz seines tödlichen, rasiermesserscharfen Schwertes.
    Er würde es ihnen zeigen. Mehr noch, er würde ihnen eine Lektion erteilen, die sie nie mehr vergessen würden.
    Es würde eben ein bisschen schwieriger, mühsamer und riskanter werden als gedacht.
    Aber auch aufregender.
    Er musste lediglich einen sicheren Platz finden, an dem er sich bis zum Sonnenuntergang ausruhen konnte.
    Dann wäre er bereit, wieder in Aktion zu treten.
    Pater Kircher wickelte sich in seinen Wollschal. Ihm war kalt.
    Sein Diener Fernando war schon dreimal in den Keller gegangen, um Holz für den Kamin zu holen, in dem nun ein ungewöhnlich großes Feuer brannte.
    Trotzdem fror Pater Kircher immer noch.
    Es lag nicht nur am Nordwind, der durch die Fenster pfiff.
    Was ihn bis in die Knochen frösteln ließ, war noch etwas anderes.
    Die Kälte schien von den verstreuten Blättern auf seinem Schreibtisch auszugehen, von den geheimnisvollen Zeichen und kabbalistischen Symbolen, die der Gelehrte mit fiebriger Hand während einer Nacht der Sternenbeobachtung aufgezeichnet hatte.
    Was vor wenigen Tagen nur ein Verdacht gewesen war, hatte sich nun als erschreckende Tatsache bestätigt.
    Kircher hatte gehofft, dass die Schlussfolgerungen aus seinen Observationen durch tiefer gehende Studien widerlegt würden. Dass seine Sorge unbegründet wäre und seine Furcht voreilig.
    Doch nun gab es keinen Zweifel mehr.
    Die Beschreibung des chaldäischen Textes war von anderen Büchern und Prophezeiungen bestätigt worden, die bis in das Dunkel der Zeit zurückreichten und von den größten Gelehrten des Altertums stammten.
    Sogar ein Buch aus der Neuen Welt über die Weisheiten jener geheimnisvollen Völker dort, das von einem Mitbruder, der dort zwanzig Jahre gelebt hatte, verfasst worden war, schien seine schreckliche These zu erhärten.
    Das Zeitalter des Skorpions war gekommen.
    Der Antichrist hatte Menschengestalt angenommen und lief durch die Straßen der Ewigen Stadt.
    Die letzte Schlacht zwischen der Finsternis und dem Licht würde bald beginnen.
    Und er, Pater Kircher, musste sich gleich zum Ausgehen fertig machen, um Königin Christine von

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