Das Blut des Skorpions
Kardinal.
Während des Konklaves wurden Allianzen mit größter Schnelligkeit geknüpft und wieder aufgelöst, und Azzolinis Methode, seine Fäden zu ziehen, ohne selbst in Erscheinung zu treten, hatte sich als sehr wirkungsvoll erwiesen. Jedes Mal, wenn seine Gegner irgendein Manöver wagten, mussten sie feststellen, dass der Kardinal ihre Absicht erahnt hatte und ihre Pläne vereitelte oder oft sogar dafür sorgte, dass das Gegenteil eintrat.
In den letzten Tagen musste etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein, wenn Azzolini sich zu derart direkten Maßnahmen entschlossen hatte, ohne seine gewohnte Vorsicht walten zu lassen und auf die üblichen Manipulationen zurückzugreifen.
Es war nicht ausgeschlossen, dass diese Entscheidung etwas mit den Morden an den Jesuiten zu tun hatte, auch wenn aus den Berichten, die er gerade studiert hatte, kein ursächlicher Zusammenhang abzuleiten war.
Hinter den Bluttaten verbarg sich zweifellos irgendeine Machtintrige, deren Absicht er jedoch bei seinem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht durchschaute.
Eines aber stand fest: Die heilige Inquisition durfte nicht zulassen, dass sie von diesem Schachzug ausgeschlossen wurde. Er musste um jeden Preis an die notwendigen Informationen gelangen, um rechtzeitig handeln zu können.
Um die Gesundheit des Chigi-Papstes war es schlecht bestellt. Es hieß, er habe eine verstopfte Niere, und man ging allgemein davon aus, dass er nicht mehr lange leben würde.
Folglich würde das Konklave in einigen Monaten wieder zusammentreten, und Muti wollte verhindern, dass die Fliegende Schwadron so problemlos ihre Ziele verfolgen konnte wie beim letzten Mal.
Gewiss, auch Azzolini hatte seine Achillesferse, und die bestand vor allem in seiner Beziehung zu Königin Christine von Schweden, über die viel geklatscht wurde. Schon seit Jahren munkelte man von einer Liebesaffäre zwischen den beiden, doch trotz aller Bemühungen hatte Muti nie einen konkreten Beweis dafür finden können.
Wenigstens genügte dieses Gerede, um es Azzolini zu versagen, den Stuhl Petri zu besteigen – das hoffte Muti jedenfalls, und er vermutete, dass der Kardinal selbst es auch wusste. Was ihn aber nicht daran hindern würde, seine üblichen Ränke zu schmieden, um einen seiner Parteigänger auf den Papstthron zu heben.
Die Amtszeit Alexanders VII. hatte sich als ausgesprochen schädlich für die Reinheit der katholischen Lehre erwiesen: zu viele Kompromisse mit den europäischen Herrschern, zu viele interne Ränkespiele, zu viel dreiste Zügellosigkeit.
Das Schlimmste war jedoch, dass der Chigi-Papst sich aufgrund des schlechten Einflusses von Azzolinis Kreis viel zu nachsichtig gegenüber der lutherischen Ketzerei und ihren unzähligen Ablegern gezeigt hatte.
Die kristallklare Reinheit des Glaubens musste so schnell wie möglich wiederhergestellt werden.
Es musste wieder zum Schwert der Wahrheit gegriffen werden.
Seit anderthalb Jahrhunderten wurde Europa nun schon von der Ketzerei durchzogen, und die römische Kirche hatte nichts weiter getan, als zu schwanken, zu zaudern und nach unnützen und schädlichen Kompromissen zu suchen, weil sie viel zu sehr auf die weltlichen Seiten ihres göttlichen Auftrags achtete und dabei die heilige Mission vergaß, die der Herr ihr anvertraut hatte.
Die Situation spitzte sich immer mehr zu und näherte sich einem Punkt, ab dem es kein Zurück mehr geben und jede Anstrengung umsonst sein würde.
Aber noch war es nicht zu spät!
Auch wenn die Kirche des auferstandenen Christus sich am Rande des Abgrunds befand, gab es Hoffnung auf Rettung, falls bald eine festere Hand die Herde der Gläubigen führte, eine Hand, die kein Erbarmen und kein Zögern kannte.
Eine Hand in einem eisernen Handschuh, das war jetzt nötig; eine Hand, die mächtig und gnadenlos zuschlug, die Götzenbilder zerstörte und den Irrtum ausrottete.
Auch mit einem Blutbad, wenn es nötig sein sollte!
Die gerechte und strenge Hand der heiligen Inquisition und ihre beste Waffe: der Hexenhammer.
Der zukünftige Papst musste eine große Bewegung anführen, welche die Kirche aus diesem Sumpf herauszog, die von Neuem das Banner der Wahrheit hisste und die Legionen der Gläubigen um sich versammelte, um mit allen ihr zu Verfügung stehenden Mitteln einen Kreuzzug gegen den lutherischen Antichrist zu führen.
Die Tatsache, dass Azzolini auf einmal persönlich in Erscheinung trat, konnte nur bedeuten, dass viel für ihn auf dem Spiel stand. Und ebendiese direkte
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