Das Blut des Teufels
sich Anthony als ihren Führer ausgesucht, weil er noch so jung war; er war glatt rasiert und dunkelhaarig und konnte kaum älter als zwanzig sein, weshalb er sicher noch leicht zu beeinflussen war. Doch das war nicht der einzige Grund für ihre Wahl. Kaum dass sie einen Schritt ins Labor gesetzt hatte – natürlich unter Carlos’ Aufsicht –, war ihr aufgefallen, dass der junge Mann bei ihrem Anblick ganz große Augen bekommen hatte. Er hatte ihr auf den Busen gestarrt und dann eilig beiseite geschaut. An der Johns-Hopkins-Universtät hatte sie genügend Vordiplomanden unterrichtet, um zu wissen, wann jemand größeres Interesse an ihr als an ihrem Unterricht zeigte. Normalerweise wies sie jeden Annäherungsversuch freundlich zurück, aber jetzt würde sie solche Gefühle für sich ausnutzen. Da dieser junge Mann mit den anderen Mönchen hier im Kloster eingesperrt war, ging sie davon aus, dass er sich durch die Avancen einer Frau leicht nervös machen ließe – und nach seinen bisherigen Reaktionen zu urteilen, lag sie damit richtig.
Anthony schluckte heftig und seine Wangen röteten sich. Er wich ein wenig zurück.
Joan nutzte ihren Vorteil schamlos aus. Sie glitt auf den Hocker neben ihm und ließ eine Hand auf dem Knie des jungen Mannes ruhen. »Es würde mich sehr interessieren, Ihre eigenen Theorien zu hören, Anthony. Sie sind schon eine Weile hier. Was halten Sie von el Sangre del Diablo ?« Sie drückte ihm leicht, ganz sachte, das Knie.
Anthony sah sich nach dem Beobachtungsfenster um, nach Carlos. Die Sicht auf Joans Hand war durch ihrer beider Körper versperrt. Diesmal wich der junge Mönch nicht zurück, aber sein Gesicht war jetzt fast feuerrot. Ganz steif saß er da, einer Statue gleich. Wenn sie mit ihrer Hand nur ein wenig weiter sein Bein hinaufgewandert wäre, hätte sie bestimmt entdeckt, wie steif der junge Mann tatsächlich geworden war.
Den ganzen Nachmittag über hatte sie ihn immer wieder gestreift, berührt oder ihm etwas ins Ohr geflüstert. Durch ihre sanfte Schmeichelei hatte sie ihn schließlich auch in dieses letzte Labor geführt, wo echte Proben des rätselhaften Metalls analysiert wurden. Jetzt begann der wirklich knifflige Teil.
Joan neigte den Kopf und widmete dem Mönch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Sagen Sie mir also, Anthony, wofür halten Sie dieses Metall?«
Fast wären ihm die Worte im Hals stecken geblieben. »Vielleicht für … für Nanobots.«
Jetzt war Joan die Überraschte. Ihre Hand rutschte von seinem Knie herab. »Wie bitte?«
Anthony nickte eifrig und entspannte sich leicht, da er sich wieder auf vertrautem Terrain befand. »Einige von uns … die Jüngeren unter uns … sind der Ansicht, dass dieses Metall eigentlich eine besonders dichte Ansammlung von Nanobots ist.«
»Wie in der Nanotechnologie?«, fragte Joan. Sie hatte ein paar theoretische Artikel gelesen, in denen die Möglichkeit diskutiert wurde, Materie auf molekularer oder gar atomarer Ebene zu manipulieren. Ein kürzlich im Scientific American veröffentlichter Artikel beschrieb einen ersten Versuch von Wissenschaftlern am UCLA, solche mikroskopisch kleinen Roboter zu konstruieren. Im Geiste sah sie die Ergebnisse ihrer eigenen Tests am Elektronenmikroskop vor sich: die Matrix aus winzigen Partikeln, die von hakenförmigen Anhängseln zusammengehalten wurden. Aber Nanobots? Unmöglich. Der junge Mann hatte offenbar zu viel Science Fiction gelesen.
»Sehen Sie mal hier«, sagte Anthony. Er zeigte sich plötzlich aufgeregt darüber, dass er seinem Publikum etwas vorführen konnte. Mit einer stählernen Tiegelzange hob er einen der Behälter vom Tablett und setzte ihn in die Maschine vor sich. »Elektronen-Kristallografie«, erklärte er. »Haben wir selbst entwickelt. Sie kann eine Einheit der Kristallstruktur des Metalls isolieren und dreidimensionale Bilder herstellen. Schauen Sie nur!« Er tippte mit der Tiegelzange auf den Monitor.
Joan beugte sich näher heran, fischte ihre Brille heraus und vergaß für den Augenblick, dass sie den jungen Mönch verführen wollte. Als sie Anthony darum gebeten hatte, ihr das Metall zu zeigen, hatte sie einen so genauen Blick eigentlich nicht gemeint. Aber jetzt war die Wissenschaftlerin in ihr gepackt.
Ein rotierendes Bild erschien auf dem Schirm, das klar und deutlich jede Einzelheit zeigte. Joan erkannte es wieder. Es handelte sich um ein einzelnes, mikroskopisch kleines Teil des Metalls. Es war achteckig mit sechs fadenähnlichen Anhängseln: eines
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