Das Blut des Teufels
Sonne. Die strahlende Scheibe hatte sich inzwischen vollständig über den Rand des Vulkans gehoben. »Es sein bereits geschehen. Der Junge sein bei den Göttern.«
Sam taumelte zurück. »Nein …«
Die Reaktion des Texaners verwirrte den König. Das breite Lächeln des Sapa Inka fiel in sich zusammen. »Sein dies nicht Intis Wunsch?«
»Nein!«, erwiderte Sam heftiger.
Maggie fasste ihn beim Ellbogen. »Wir müssen zu diesem Tempel. Vielleicht lebt Denal noch. Wir wissen nicht sicher, dass er tot ist.«
Sam nickte. Eine Chance hatten sie noch. Er wandte sich an Kamapak und Pachacutec. »Bringt uns zum Tempel!«
Der König neigte den Kopf. Einem der Auserwählten widersprach er nicht, sondern winkte stattdessen, worauf der Schamane sich erhob. »Kamapak wird dich führen.«
»Ich komme mit«, sagte Maggie.
»Ich auch«, fügte Norman hinzu, der ein wenig schwankend auf den Beinen stand. Die Veränderungen und die lange, aufreibende Nacht hatten eindeutig ihren Tribut von ihm gefordert.
Sam schüttelte den Kopf. »Norman, du musst hier bleiben. Du sprichst die hiesige Sprache. Bring die Inka dazu, auf dem höchsten Kamm ein Signalfeuer zu entzünden, damit uns der Helikopter auch findet.« Er griff in seine Westentasche und zog sein Funkgerät heraus. »Hier. Nimm Kontakt zu Sykes auf und lass dir den neuesten Stand der Dinge übermitteln. Und noch wichtiger … hol Onkel Hank so bald wie möglich hier rauf!«
Norman schien die ihm aufgebürdete Verantwortung Sorgen zu bereiten, doch er nickte und nahm das Funkgerät entgegen. »Ich tue, was ich kann.«
Sam schlug den Fotografen auf die Schulter. Dann eilten er und Maggie davon. Sie blieben nur kurz stehen, um die Winchester aufzusammeln.
»Seid vorsichtig!«, rief ihnen Norman nach. »Da oben geht irgendwas Seltsames vor!«
Diese Warnung wäre nicht nötig gewesen. Sam musste lediglich einen Blick auf die goldene Viper am Griff des Dolchs in seiner Hand werfen.
Hell glitzerte das Sonnenlicht auf den spitzen Fängen.
Er zitterte. Die uralte Warnung dröhnte ihm durch den Kopf: Hüte dich vor der Schlange von Eden!
Mühsam schleppte sich Henry zum eingestürzten unterirdischen Tempel. Selbst von hier aus erkannte er, wie die Kuppe des Hügels in sich zusammengefallen war. Natriumlampen erhellten die Grabung auf der windabgewandten Seite, wo sich Arbeiter nach wie vor damit abrackerten, einen Rettungsschacht in die vergrabenen Ruinen zu treiben.
Während Henry dahinschritt, spulte Philip neben ihm seine monotone Litanei über die Ereignisse der vergangenen Tage ab: »… und dann ist der Tempel implodiert. Ich hätte nichts dagegen tun können …« Der Professor war kaum unter den Rotoren des Helikopters hervorgekommen, als Philip Sykes schon zu ihm gerannt kam, im Gesicht ein Lächeln, in dem sich panikartige Erleichterung und Scham mischten. Der Student hatte gewirkt wie ein Hund mit eingekniffenem Schwanz. Henry achtete nicht auf seine endlosen Erklärungen. Von Anbeginn an war der Tenor klar gewesen: Mich trifft keine Schuld!
Schließlich berührte Henry Philips Schulter. »Sie haben hier großartige Arbeit geleistet, Mr. Sykes, vor allem wenn man die Umstände und das hier herrschende Durcheinander berücksichtigt.«
Philip nickte eifrig mit dem Kopf. »Allerdings, nicht wahr?« Wie mit einem großem Löffel schaufelte er das Lob in sich hinein … und verstummte dann, Gott sei Dank, zufrieden damit, dass ihn jemand von der Verantwortung für alles erlöst hatte, was mit der Tragödie zusammenhing. Henry wusste jedoch genau, dass der Student mehr verheimlichte, als er berichtete. Im Vorübergehen hatte er die geflüsterten abschätzigen Bemerkungen einiger der Quecha-Arbeiter aufgeschnappt. Er verstand genügend von ihrer Sprache, um sagen zu können, dass die Arbeiter stinkwütend auf Philip waren, und er hatte den Verdacht, dass bei einer Befragung der Arbeiter die Ereignisse der vergangenen Tage in ein ganz anderes Licht getaucht würden … und dass Philip nicht so makellos rein aus der Sache herauskäme.
Im Augenblick hatte Henry jedoch dringendere Sorgen. Er beäugte die beiden Wächter neben sich. Sie stellten ihre Waffen nicht mehr zur Schau, hielten aber nach wie vor eine Hand am Holster. Heftig durch Nase und Mund atmend marschierte Abt Ruiz voran. Die Höhe und der Anstieg durch die Ruinen machten dem schweren Mann deutlich zu schaffen.
Als sie schließlich den Platz erreichten, an dem sich ein schwarzer Tunnel in die Seite des verschütteten
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