Das Blut von Magenza
rätst du mir?“
„Sie hat sich wirklich besorgniserregend verändert. Ich kann dir auch nicht sagen, was ihr fehlt, denn sie hat mir ihr Herz nicht geöffnet, so wie sie es früher tat. Sie erscheint mir innerlich wie abgestorben. Ich kenne ein paar Frauen, denen es nach einer Geburt ähnlich erging. Meist wurden sie nach einigen Monaten wieder gesund, eine allerdings verharrte über Jahre in diesem Zustand.“
Gerhard erschrak. „Ich kann das nicht mehr lange ertragen. Ich vermisse ihr Lachen, unsere Gespräche und ihre liebevolle Hingabe.“
„Wenn ich mich recht entsinne, zeigte sie bereits lange vor der Geburt gewisse Anzeichen von Trübsal. Kann es sein, dass schon zu einem früheren Zeitpunkt etwas geschah, das sie grüblerisch machte?“, bemerkte Conrad.
„Ich wüsste nicht, wann und vor allem was das gewesen sein soll.“
„Denk nach! Und wenn es dir einfällt, musst du bis an diesen Punkt zurückgehen und die Ursache erforschen. Ich kann dir nur zur Geduld raten. Sei freundlich, schließe sie nicht aus deinem Leben aus, sieh zu, dass sie möglichst häufig das dunkle Gemäuer verlässt und sich im Freien aufhält, so wie es der Arzt ihr riet.“
„Ich könnte ihr vorschlagen, sich auf unserem Landgut mit den Kindern zu erholen. Sie war dort immer gern, gerade im Frühjahr und Sommer“, meinte Gerhard.
„Ein Versuch ist es wert. Sie bat mich, noch vor Ostern wegen der Beichte vorbeizuschauen. Morgen werde ich mit ihr reden. Vielleicht sagt sie mir dann, was sie bedrückt.“
Reinhedis ahnte von dieser Unterhaltung nichts. Ihre Magd hatte sie zu einem Spaziergang überreden können und die beiden Frauen befanden sich nun mit Reinhedis´ Töchtern in den Weinbergen, während der Knabe wohlversorgt in der Burg zurückblieb. Als sie sich einem Wachturm näherten, schaute Reinhedis nach oben und bemerkte einen Soldaten. „Heute ist ja eine Wache darauf“, stellte sie erstaunt fest.
„In letzter Zeit sind alle Wachtürme besetzt und das nicht nur während der Nacht, sondern auch den ganzen Tag über“, erklärte ihr die Magd.
„Was hat es damit auf sich?“
„Ich weiß es nicht. Fragt doch am besten Euren Gemahl.“
Die Mädchen pflückten in der Zwischenzeit Blumen. Ihr glockenhelles Lachen, das sich unter das Gezwitscher der Vögel mischte, riss Reinhedis aus ihrer Melancholie und sie betrachtete sie voller Wohlgefallen. Sie genoss die laue Luft auf ihrer Haut und streckte ihr blasses Gesicht der Sonneentgegen.
„Was für ein schöner Tag!“, meinte sie heiterer als üblich. „Es ist gut, dass du mich aus der Burg gelockt hast. Ich glaube, ich bekomme sogar Appetit. Wir sollten öfter hierherkommen, das tut mir gut“, ergänzte sie noch.
„Ich begleite Euch gern“, meinte die Magd eifrig und registrierte zufrieden die leicht geröteten Wangen ihrer Herrin.
Auf dem Nachhauseweg ergriff Reinhedis die Hände ihrer Töchter und sang mit ihnen ein Kinderlied, was sie schon lange nicht mehr getan hatte. Die Mädchen hüpften neben ihrer Mutter her und alle drei wirkten in diesem Augenblick unbekümmert. In der Nähe des Leichhofs trafen sie jedoch auf Griseldis, die von der Rückseite der Burg zu kommen schien. Reinhedis‘ Antlitz verfinsterte sich, denn sie vermutete, dass ihre vermeintliche Kontrahendin von Gerhard kam. Sie ließ die Hände ihrer Töchter los, die sofort verstummten und ihre Mutter fragend anschauten. Der hasserfüllte Gesichtsausdruck entging auch nicht der Magd, die die Mädchen mit sich nahm, um in einiger Entfernung zu warten.
Als Griseldis die Burgherrin erblickte, kam sie arglos lächelnd auf sie zu und grüßte sie. „Wie schön, dass wir uns treffen. Dich lockt wohl auch das schöne Wetter ins Freie?“, meinte sie freundlich, ohne sich von Reinhedis‘ verkniffenen Miene beeindrucken zu lassen.
Die Freude war eindeutig einseitig und Reinhedis antwortete ihr mit einem knappen: „Ja.“
„Es scheint dir zu bekommen. Dein Gesicht hat eine viel gesündere Farbe! Wie geht es deinem Sohn? Gerhard ist ja sehr stolz auf euch beide“, plapperte Griseldis unbeirrt weiter.
„Woher weißt du das?“, fragte Reinhedis scharf.
„Das ist doch kein Geheimnis, davon weiß die ganze Stadt. Sein größter Wunsch ist schließlich in Erfüllung gegangen und er macht keinen Hehl daraus“, erwiderte sie nun deutlich distanzierter.
Diese Antwort schien die Burgherrin etwas zu besänftigen. „Das ist wahr, es freut ihn wirklich. Wir haben uns lange nicht gesehen.
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