Das Blut von Magenza
bei dir! Oder willst du michloswerden?“, schrie sie schrill.
Gerhard erschrak über diese unerwartet heftige Reaktion. „Beruhige dich doch! Warum sollte ich dich loswerden wollen? Ich genieße deine Gegenwart. Ich dachte nur, Ablenkung würde dir guttun.“
„Dieses Jahr mache ich es eben anders!“, stellte sie bestimmt fest und wandte den Kopf von ihm ab, was Gerhard veranlasste zu gehen. Seine Frau wurde ihm immer mehr zum Mysterium.
Reinhedis kochte indessen vor Eifersucht. Falls er sie loswerden wollte, um sich ungestört mit Griseldis treffen zu können, hatte er sich getäuscht. Sie würde bleiben und ab jetzt noch aufmerksamer sein als sonst.
Unter den Juden
Eigentlich ging es Sara im Augenblick rundum gut. Die Schwangerschaft bereitete ihr keine Probleme, ihre Mutter war wieder gesund, wenn auch noch recht schwach, die Geschäfte brachten Gewinne ein und Immanuel hatte die Erbschaftsangelegenheit in Italien zu einem glücklichen Ende gebracht. Jetzt wollte er nur noch einige Weinberge kaufen und jüdische Winzer einstellen, um koscheren Wein produzieren zu können. Das bedeutete, dass er noch einige Zeit im Süden bleiben musste. Vor nicht allzu langer Zeit hätte Sara das bedauert, aber nun war sie froh darüber.
Inzwischen hatte ihr auch Jonah geschrieben. Er war wohlbehalten zu Hause angekommen und begann das Geschäft wieder aufzubauen. Aber er erneuerte seine Mahnung, denn die Gefahr durch die Kreuzzügler war für das Rheinland längst nicht gebannt, im Gegenteil, sie hatten die Grenze inzwischen überschritten. Sara hatteihre Furcht lange unterdrückt, aber jetzt brach sie wieder auf. Im Stillen hatte sie gehofft, der Gemeindevorstand würde doch noch seine Meinung ändern, was er aber nicht getan hatte. Außer dem Schreiben, das Kalonymos an den Kaiser geschickt hatte, waren keine weiteren Schritte erfolgt. Heinrich hatte zwar auf Kalonymos‘ Bitte hin seine Fürsten, unter anderem auch den Franzosen Gottfried von Bouillon, angewiesen, die Juden zu schützen. Doch ob sie es wirklich auch taten, stand in den Sternen.
Sara gab sich keinen Illusionen hin. Ihr Volk war stets Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Unter König Heinrich II. waren sie vor mehr als achtzig Jahren ausgewiesen worden. Daher wusste sie, wie trügerisch und launisch Friede sein konnte. Noch herrschte Ruhe, aber damit konnte es von einer Stunde zur anderen vorüber sein. Die Kreuzfahrer, die überwiegend aus Frankreich kamen, fühlten sich nämlich nicht an die Order des deutschen Kaisers gebunden. Für sie zählte allein das Wort Papst Urbans. Und da Heinrich und er erklärte Feinde waren, verhieß das für ihr Volk nichts Gutes. Doch außer ihr schien keiner den drohenden Schatten erkennen zu wollen, der sich unaufhörlich über dem Land ausbreitete.
Sara war nicht bereit, das Schicksal einfach so hinzunehmen, auch wenn die Gemeinde das verlangte. Sie würde sich mit ihrer Mutter, Isaac und dem Ungeborenen in Sicherheit bringen und setzte all ihre Hoffnung auf Widukind. Aber sie bangte nicht nur um das Leben ihrer Familie, sondern auch um ihr Vermögen. Einen Teil davon hatte sie Jonah anvertraut, damit er es sinnvoll einsetzte und für sie vermehrte, was er auch tat. Aber was sollte mit dem Rest geschehen? Seit Längerem zerbrach sie sich den Kopf über ein gutes Versteck, aber ihr fiel keines ein, dennJuden boten sich nicht viele Möglichkeiten. Sie konnten es innerhalb ihres Hauses, der Synagoge oder des Viertels verbergen, aber dort würden Plünderer zuerst suchen. Außerhalb dieser Bereiche wurde jeder ihrer Schritte genau beäugt und ohne Hilfe würde es nicht gehen. Es blieb also wieder nur Widukind.
Übermorgen, am Vortag von Pessach, wenn alles Gesäuerte aus dem Haus musste, wollte sie ihm Chametz hinüberbringen und die Gelegenheit nutzen, mit ihm zu reden. Ihre Mutter würde keinen Verdacht schöpfen, denn es war Brauch, dass alles Gesäuerte an Nichtjuden verkauft oder verschenkt wurde, und den Nachbarn bedachte man dabei zuerst.
Mittwoch, 9. April 1096, 14. Nisan 4856
Burg
Reinhedis fühlte sich beim Aufwachen furchtbar und erschöpfter als jemals zuvor. Viel geschlafen hatte sie nicht, denn die ganze Nacht über musste sie an das denken, was die Magd ihr erzählt hatte. Ihre Eifersucht machte sie so blind, dass sie gar nicht auf den Gedanken kam, ein anderer als ihr Ehemann könne Griseldis‘ Liebhaber sein. Zwar gab es noch immer keine Nachricht von ihrem Cousin Guntram, aber seine Antwort war
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