Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
… Jetzt musste sie nur noch den Mut finden, es auch zu tun.
Sie hatte Mädchen in der Schule gekannt, die sich die Arme mit Messern wie dem hier aufschnitten. Wie kriegten sie das hin? Warum? Ja, das waren kurze, flache Einschnitte, die wahrscheinlich nicht sehr wehtaten, aber sie hatte das voll nie verstanden.
Sie musste es jetzt tun, bevor sie voll jeden Mut verlor.
Sie legte die Spitze des Rasiermessers auf ihr linkes Handgelenk, direkt unter dem Daumenansatz, und senkte den Arm ins Wasser. Sie schloss die Augen, holte Luft und schnitt mit der Klinge quer über das Handgelenk.
Sie schrie vor Schmerz auf. Verdammt, tat das weh! Das tat entsetzlich weh!
Sie öffnete die Augen und sah hin. All die Gläser Rum und Pepsi drohten wieder hochzukommen, als sie die roten Schleier sah, die aus ihrem Handgelenk aufstiegen.
Rote Schleier … das kam in einem der Lieder vor, die Mama so mochte …
Eine Panikwelle schlug über ihr zusammen, als sie sah, wie da ihr Blut, ihr Leben aus ihr herausströmte. Was hatte sie getan? Das war doch verrückt. Sie …
Nein. Sie hatte das voll nicht anders verdient, das hatte sie sich selbst eingebrockt, weil sie so dämlich gewesen war. Sie konnte auf keinen Fall mit sich weiterleben, nach all dem Leid und Schmerz und dem Elend, an dem sie schuld war.
Sie blickte auf ihr rechtes Handgelenk. Das hatte sie sich auch aufschneiden wollen, aber der erste Schnitt hatte viel zu sehr wehgetan. Und so, wie es aus der linken Wunde blutete, glaubte sie auch nicht, dass das noch nötig sein würde.
Ein merkwürdiger Friede breitete sich über ihr aus wie eine warme Decke. Sie hatte es getan. In ein paar Augenblicken würden ihre Sorgen und Nöte so voll für immer vorbei sein. Kein Seelenschutt mehr, keine Schuldgefühle, keine Last.
Nur … Friede.
3.
Doktor Levy sah furchtbar aus im Licht der späten Nachmittagssonne, die durch das Fenster des Argonaut hereinschien. Er hatte sogar seinen Appetit verloren. Er hatte sich nichts bis auf ein Glas Mineralwasser bestellt.
Jack hatte ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, dass sie sich treffen müssten – pronto. Er hatte gewusst, dass Levy etwas zu schaffen machte, als der zurückrief. Er klang ziemlich durch den Wind. Jack hatte auch eine sehr gute Ahnung, warum das so war.
Levy hatte es nicht vorher geschafft, sich frei zu machen, also war es jetzt halb fünf geworden und er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen.
Jack hatte auch nicht viel Schlaf bekommen. Er hatte den größten Teil des Tages damit verbracht, nach Dawn zu suchen, hatte aber nichts erreicht.
»Macht Ihnen etwas Sorgen?«, fragte Jack.
Vermutlich wirkte er so aufgeregt wie Levy. Er hatte wohl auch guten Grund dazu, wenn man bedachte, was die nächsten Minuten für ihn bringen würden.
»Mir Sorgen?« Levy nahm einen Schluck von seinem Mineralwasser und sah ihn merkwürdig an. »Hören Sie keine Nachrichten?«
Jack schüttelte den Kopf. Für gewöhnlich ließ er sich seine Nachrichten von Abe vorsortieren. »Davon kriege ich Depressionen.«
»Offensichtlich haben Sie es dann noch nicht gehört. Erinnern Sie sich noch an Dr. Vecca? Sie haben sie getroffen, als …«
»Ich erinnere mich.«
»Na ja, sie ist tot. Ermordet. Ihr wurde so der Schädel eingeschlagen, dass der im ganzen Schlafzimmer verteilt war.«
»Wie schrecklich.«
Er hoffte, dass das wenigstens den Anschein von Betroffenheit vermittelte.
»Aber wissen Sie, was noch schlimmer ist? Vielleicht sollte ich nicht ›schlimmer‹ sagen, weil sie tot ist und ich nicht – nein, es ist schlimmer: Man hat die Mordwaffe – einen Radschlüssel, an dem ihr Blut klebte – auf der Straße vor meinem Haus gefunden.«
»Bolton?«
Er schwieg, dann: »Woher wissen Sie das?«
»Der hat offenbar eine Vorliebe für Radschlüssel. Er ist mit einem auf mich losgegangen, falls Sie das vergessen haben.«
Er fuhr sich mit einer zitternden Hand durch das dunkle Haar. »Ehrlich gesagt, habe ich das. Seine Fingerabdrücke waren überall darauf. Das Blut ist das von Julia und Spuren davon hat man in seinem Auto gefunden – das auch vor meinem Haus stand.«
»Kein Wunder, dass Sie nervös sind.«
»Und als ob das noch nicht genug wäre, hat jemand die Familien Dalton und Golden angerufen und ihnen verraten, dass Bolton entkommen ist und niemand das gemeldet hat. Die machen ein Mordsspektakel. Die Nachricht dürfte in ein paar Minuten durch alle Medien gehen. Auch wenn Sie das nicht
Weitere Kostenlose Bücher