Das Blutband: Der 11. Handyman Jack Thriller (German Edition)
favorisiertes Speiselokal während ihrer Schwangerschaft. Aber jetzt, wo das Baby weg war, hatte sie auf diese Küche keinen Appetit mehr. Sie waren seitdem nicht mehr dort gewesen. Die Erinnerungen waren zu schmerzhaft.
Er schüttelte die Melancholie ab und machte sein Aufnahmegerät fertig.
»Sie sind erstaunlich pressefreundlich. Ich habe gestern ein Interview mit Hank Thompson geführt und musste das über seine Presseagentin arrangieren und ihn im Büro seines Verlags treffen.« Er deutete auf die Umgebung. »Das hier ist deutlich entspannter.«
»Nun, was die Zugänglichkeit betrifft, da habe ich kaum eine Wahl: Ich bin jederzeit für die Presse erreichbar, tagein, tagaus.«
»Das ist deutlich.«
»Nein, das ist Überlebenskampf. Das kommt jetzt nicht in den Artikel, klar?«
Jack wollte gerade den Recorder anschalten, hielt aber inne.
»Na schön. Gut.«
Jack wollte seine eigenen Fragen loswerden, hatte aber das Gefühl, es wäre besser, wenn er einfach mitspielte.
»Ich will einfach, dass Sie meine Lage begreifen. Mein Verleger tut schlichtweg nichts für ein Buch, das direkt als Taschenbuch erscheint. So wie mit Filmen, die sofort auf dem DVD-Markt landen. Ich muss mich selbst um die Vermarktung kümmern und jedes bisschen Reklame nutzen, das ich kriegen kann. So läuft das nun mal auf dem Taschenbuchmarkt. Sobald der neueste Titel ausgeliefert ist, vergessen mein Lektor und mein Verleger komplett, dass ich existiere.«
»Das ist der Taschenbuchmarkt? Ich hätte gedacht, Sie würden sicher über Nacht eine Million damit verdienen.«
Jack wartete auf ein gequältes Lächeln oder irgendein Anzeichen dafür, dass die Ironie Winslow erreicht hatte, aber nichts.
Ach Ruhm, wie vergänglich bist du doch.
»Das würde ich ja gern! Wenn ich eine Million damit verdient hätte, dann würde ich sicherlich nicht in einer Einzimmerwohnung in Alphabet City hausen, wo es im Haus noch nicht mal einen Aufzug gibt.«
»Na gut. Das habe ich so weit verstanden.« Jack schaltete das Aufnahmegerät ein. »Kommen wir jetzt wieder zum offiziellen Teil. Wo finden Sie …?«
»Ja. Okay. Und weil ich weiß, dass Sie mich das fragen werden: Ich erinnere mich genau an den Augenblick, als ich wusste, dass ich Schriftsteller werden musste.«
Jack hatte nicht vorgehabt, ihn das zu fragen, und es interessierte ihn auch herzlich wenig, aber das konnte er Winslow ja schlecht sagen. Aber selbst wenn er das täte, würde der wahrscheinlich einfach weiterlabern.
»Das war damals 1993. Ich schrieb dem Herausgeber eines Comics mit dem Titel The Tomorrow Syndicate einen Brief. Nur ein humorvoller Kommentar mit einer falschen Absenderangabe zu der Art, wie der Herausgeber – Affable Al – mit Alliterationen umging. Und wow, sie druckten ihn in der Nummer 6 ab. Ich kann Ihnen sagen, das war so ein Hammergefühl, meinen Namen als Verfasser des Briefes zu sehen, dass in dem Augenblick für mich feststand, dass ich Schriftsteller werden würde.«
»Faszinierend.« Ganz sicher nicht! »Also, wo bekommen Sie jetzt Ihre Ideen her?«
Winslow lächelte. »Es heißt, die meisten Autoren können diese Frage nicht ausstehen, aber ich finde sie toll. Allerdings bin ich auch einfach nur froh, dass mir überhaupt jemand irgendwelche Fragen stellt.«
Schon gut, schon gut. Wir haben begriffen: P. Frank Winslow wird zu schlecht bezahlt und nicht genug gewürdigt.
»Und, wie kommen Sie zu Ihren Ideen?«
»Träume.«
»Träume?«
»Ja. Ich träume sie und dann füge ich sie in die Bücher ein.«
»Was war der Traum, der zu Ihrem ersten Buch geführt hat?«
» Rakshasa begann als echt übler Albtraum. Ich saß auf einem Hausdach fest, wo ich von einem Monster oder einem Dämon oder so etwas verfolgt wurde – ich kann mich kein bisschen daran erinnern, wie es aussah, nur daran, dass es hinter mir her war – und egal, womit ich es beschoss, bewarf, oder auf es einschlug, das Ding griff immer wieder an.«
Jack lief es eiskalt den Rücken hinunter. Winslow hatte gerade das beschrieben, was ihm vor fast zwei Jahren auf dem Dach seines eigenen Hauses passiert war.
»Wann hatten Sie diesen Traum?«
»Vorletzten Sommer. Anfang August.«
Das eisige Gefühl wurde um einiges kälter. Es war Anfang August gewesen, als die Rakosh-Mutter ihn gejagt hatte.
»Ich wachte vollkommen außer Atem auf, als wäre ich die ganze Zeit herumgerannt und hätte wirklich gekämpft. Ich wusste, wenn ich dieses Entsetzen und die wiederkehrende Enttäuschung in einer
Weitere Kostenlose Bücher