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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Exposé zur Kenntnis genommen. Was dann geschah, lag in Gottes Hand, aber Machtmenschen pflegten ihre Zeit nicht zu verplempern. Hatten sie einem Objekt zehn Minuten Aufmerksamkeit geschenkt, dann mußte auch etwas dabei herauskommen.
    Und da war die unselige Zwischenfrage dem Sekretär in die Parade gefahren: »Wieviel bietet er denn, wenn ich die Schirmherrschaft übernehme?«
    Der Sekretär mußte seinen Höhenflug abbrechen und unsanft landen. Doktor Wereschnikow habe nicht vor, irgend etwas dafür zu zahlen. Er bitte vielmehr Seine Exzellenz, das Unternehmen zu unterstützen. Exzellenz hätten Zugang zu vielen Geldquellen. Das Unternehmen liege im Interesse der Erhaltung des Weltfriedens …
    In den fünftausend Jahren seiner Existenz war der schmerbäuchige weise Schreiber nicht so wütend geworden. Die Wut spaltete ihn beinahe. Auf der Stirn des Hochbetagten – die Haut des Kopfes war straff über den Schädel gespannt – erschien eine blitzartig sich schlängelnde Zornesader.
    »Er will Geld von mir!«
    Dieser Schrei gellte derart in meinen Ohren, daß ich nicht mitbekam, was er danach noch sagte. Ich verstand den großen Mann erst wieder, als er sich gefangen hatte und, unversehens ins Englische verfallend, in gezwungener Sachlichkeit, gleichsam in ein Diktaphon sprechend, sagte: »Financial ressources are limited; bestellen Sie das bitte Herrn Doktor Wereschnikow.« Auf einmal sprach er den Namen ohne Schwierigkeiten aus.
    Und dieser Satz ging mir nicht aus dem Kopf, vielleicht weil gegenwärtig viel von der These einer ganz anderen Schule der Finanzwissenschaft die Rede war, wonach die finanziellen Ressourcen grundsätzlich unbegrenzt seien – es gebe stets so viel Geld, wie gebraucht werde. Ich verstehe nichts von solchen Sachen, und so hätte ich meinen Traum, so beunruhigend überdeutlich er mir vor Augen gestanden hatte, dann schließlich doch vergessen, wenn es nicht ein paar Tage darauf bei Merzinger zu einer weiteren Planungs- und Arbeitsunterredung mit Wereschnikow gekommen wäre.
    Er war umflorter Stimmung in diesen Wochen. Oft schien er mir abgelenkt und hob gelegentlich den schönen Kopf mit der Königsgeste eines Löwen im Zoo, der von seinem Betonfelsen herab das innere Auge über die ungemessenen Weiten der Savanne schweifen läßt. Diesmal kam er mir aber munterer vor, geradezu aufgekratzt. Der Kongreß komme zustande, nein, wirklich, seine Arbeit werde gesehen, geschätzt und auch honoriert. Auf kleinerer Basis allerdings als vorgesehen. An internationale Beteiligung sei gegenwärtig nicht zu denken. Und das Begleitprogramm werde natürlich zusammengestrichen, sei ohnehin nicht von existentieller Bedeutung, ihm immer nur aufgezwungen gewesen. Er habe sich nur darum gekümmert, weil man es partout von ihm gefordert habe – ja, damit falle freilich auch die Mestrovic-Ausstellung weg, es sei der falsche Zeitpunkt für so etwas. Und dann sagte er – ich schwöre es, daß er es wörtlich so sagte, ganz nebenbei, für mich aber mit einem nicht verhallenden Donnerschlag: »Financial ressources are limited, mit solchen traurigen Fakten müssen wir leben.«

Dreißigstes Kapitel
    Ein gerettetes Bankett
    Winnie war mir an so vielen Orten unerwartet begegnet, daß mich ihr Erscheinen, an welchem Ort auch immer, nicht mehr überraschte. Sie war so schwerelos, daß der Wind sie überall hinblies, wie durch die Luft tanzende Löwenzahnsamen. Gewiß, es gab dann immer eine Erklärung für ihre Gegenwart. Die Markies schickte sie weit herum, in diesem Beruf gab es kein Milieu, das unzugänglich gewesen wäre. Gerade wenn es schwierig schien, sich irgendwo hineinzudrängen, war das für die Markies erst recht ein Ansporn, die Hindernisse zu überwinden, oft genug mit durchaus plumpen Mitteln. Die Ellenbogen waren für Frau Markies die meistgebrauchten Körperteile.
    Unvorstellbar, daß Winnie dergleichen benötigte, die überall Willkommene, sich überall Hineinfindende. Der Raum, den sie in welchem Menschenkreis auch immer einnahm, der schien für sie freigehalten, dahinein paßte sie wie das Steinchen, das die letzte Lücke eines musivischen Bildes schloß. Und so zart sie war, kannte sie doch keine Schüchternheit. Woher nahm sie diese bescheidene Selbstverständlichkeit, in jeder neuen Umgebung auf ihre freundlich-zerstreute Weise zu Hause zu sein, zugvogelhaft allerdings, mit dem guten Recht des rastenden Zugvogels, der sich auf einem Zweig niederläßt, als gehöre ihm der, um ihn alsbald

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