Das Blutgericht
gegen die Nacht, verlor aber immer mehr an Boden. Dantalion wünschte sich, dass die Nacht nun endlich zuschlagen, dem Tag einen Kinnhaken versetzen und ihn dann auf die Bretter schicken würde. Er brauchte die Dunkelheit. Sie war sein größter Verbündeter.
Er saß auf einem Grashügel, die Füße im Sand versunken. Um ihn herum sammelte sich das Treibgut des Meeres, sonnengebleichte Zweige und zurückgelassene Panzer von Krustentieren. Es fand sich die allgegenwärtige Plastiktüte, die jemand achtlos zurückgelassen hatte, eine rostrote Getränkedose steckte im Sand. Zwischen Dantalions gespreizten Beinen stand der Rucksack, den Gabe Wellborn ihm geliefert hatte.
Aus der Tasche zog er den Schalldämpfer. Den von letzter Nacht konnte er nicht mehr gebrauchen. Schalldämpfer hielten nicht lange, jeder Schuss, der durch sie abgegeben wurde, beraubte sie ein Stück mehr ihrer Fähigkeit zur Lärmdämmung. Er schraubte den neuen Schalldämpfer auf seine umgebaute Beretta. Er ließ das Magazin herausgleiten, schob ein neues ein, betätigte den Lademechanismus und ließ so das erste Projektil in die Kammer rutschen. Dann ergänzte er das Geschoss im Magazin, damit ihm die volle 17er-Ladung zur Verfügung stand.
Er legte die Pistole auf seinen linken Oberschenkel, griff erneut in den Rucksack und holte ein Gewehr heraus. Dieses Modell war als Tötungsinstrument nicht halb so effektiv wie die Beretta, aber wie er schon zu seinem Mitarbeiter gesagt hatte: »Keine Sorge, Gabe, ich werde es nicht an Menschen ausprobieren.« Das Gewehr sah aus, als sei es aus den Abfallstücken eines Klempners zusammengesetzt worden: einem Rohr, einem Ventil und einem Behälter. Der einfache Abzugsmechanismus war das einzige Teil, das nach echter Feuerwaffe aussah. Dabei handelte es sich um ein Gasdruckgewehr, das die Ketamin-Ampullen bis zu fünfzig Meter weit schießen konnte.
Als Nächstes kam das Nachtsichtgerät, das modernste Modell der dritten Generation, nach Militäranforderungen hergestellt, mit Restlichtverstärker, Blendschutz und extra großem Sichtfeld. Da das Gerät mit einem verstellbaren gepolsterten Gurt direkt am Kopf getragen werden konnte, blieben die Hände frei. Das Nachtsichtgerät würde ihm die Fähigkeit verleihen, sich im Dunkeln zu bewegen, als wäre es helllichter Tag. Seine Feinde würden ihn nicht sehen können, selbst wenn er direkt vor ihnen stand.
Als Letztes zog er das EMF-Messgerät heraus, mit dem er elektrische und magnetische Felder aufspüren konnte. Das Gerät zeichnete sich durch besondere Empfindlichkeit und einen breiten Frequenzbereich aus. Auf dem Gelände verborgene Bewegungssensoren und Stolperdrähte würden am Messgerät einen Warnton auslösen, der ähnlich wie bei einem Geigerzähler immer lauter wurde, je näher er den Strahlungsquellen kam.
Die Sonne war mittlerweile fast ganz untergegangen. Unter der Brücke wurden die Schatten länger und umgaben ihn wie heimliche Kampfgefährten. Er schlüpfte aus seinem Mantel, ballte ihn zusammen und steckte ihn in den Rucksack. Sein Hut und die Sonnenbrille folgten, dann setzte er das Nachtsichtgerät auf, klappte aber die beiden Sehröhren nach oben, im Moment wollte er noch seine eigene Sehkraft nutzen. Er trug ein eng anliegendes Sweatshirt und Cargo-Hosen – die mit den unzähligen Taschen –, die er in seine Schnürstiefel gesteckt hatte. Tagsüber bevorzugte Dantalion Weiß oder Creme, aber nun war seine Kleidung so schwarz wie die Nacht, die sich um ihn herum niedersenkte. Er befestigte das Beretta-Holster an seiner Hüfte. Die Wunde an seinem Oberschenkel machte es ihm zu unangenehm, die Pistole an ihrem normalen Platz zu tragen. Ersatzmagazine schob er in eine tiefe Tasche an seinem linken Oberschenkel. Das EMF-Messgerät befestigte er mit einem Clip an seinem Gürtel. Er hievte den Rucksack auf seine Schultern und zog die Gurte stramm. Als Letztes nahm er das Gasdruckgewehr, legte einen Ketamin-Pfeil ein und verschloss die Kammer.
Er richtete sich auf und ging ein paar Schritte, damit er den Eingang beobachten konnte, den er vorher ausgespäht hatte. Im Dunklen konnte er das Tor nicht erkennen. Erst als er das Nachtsichtgerät aktiviert hatte, zeichneten sich blinkende grüne Lichter vor seinen Augen ab. Er machte die Begrenzungsmauer als dunkle Masse am Horizont zu seiner Linken aus.
Jetzt war er bereit und machte sich auf den Weg, hielt sich geduckt, nicht mehr als ein dunkler Fleck in den sich wiegenden Gräsern. Beim letzten
Weitere Kostenlose Bücher