Das Blutgericht
in Sicherheit bringen würden.«
»Das Anwesen hier ist die reinste Festung«, sagte Bradley. »Wo könnte es denn sicherer sein als hier?«
Ich prustete fast vor Lachen: »Wenn ich Sie hätte töten wollen, hätte ich das jederzeit tun können. Der Mann von letzter Nacht war gut. Auch er könnte das.«
»Dann verstärke ich meine Security, verpflichte noch mehr Leute.«
»Sie könnten nie wissen, ob sich nicht vielleicht der Killer darunter befindet.« Ich beugte mich ihm wieder entgegen und flüsterte in sein Ohr. »Hören Sie auf meinen Rat, Bradley. Verstärken Sie nicht Ihre Security, sehen Sie sich nach anderen Optionen um. Nehmen Sie die Männer, denen Sie am meisten vertrauen, und verpissen Sie sich von hier. Irgendwohin, wo Sie keiner findet – nur dort sind Sie sicher.«
»Was liegt Ihnen denn an meiner Sicherheit? Sie haben gerade sehr deutlich gesagt, dass Sie mich nicht mögen.«
»Da haben Sie Recht, Bradley, ich mag Sie nicht. Das einzige Interesse, das ich daran habe, Sie am Leben zu halten, ist Marianne zuliebe. Es ist alles so schon schlimm genug. Ich möchte es nicht auch noch mit einer verzweifelten Frau zu tun bekommen, die um ihren Geliebten trauert.«
Ich ließ ihn los und sah zu, wie er seinen schmerzenden Arm massierte. Bradley verströmte einen Duft, den ich als Geruch der Angst erkannte. Die Schweißflecken unter seinen Armen hatten sich noch vergrößert.
»Wo werden Sie Mari hinbringen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Warum nicht? Ich –«
»Wenn der Killer Sie erwischt, könnte er Sie zwingen zu verraten, wo sie steckt. Wollen Sie das, Bradley?«
»Nein. Nein, natürlich nicht. Ich … ich …«
»Liebe sie?« Ich bekam fast einen Knoten in der Zunge. »Wenn Sie sie lieben, dann lassen Sie sie gehen. Ihre Sicherheit sollte Ihnen am allerwichtigsten sein.«
»Ist sie auch.«
»Dann sind wir uns einig?«
Er zeigte seine Zustimmung durch ein vorsichtiges Nicken.
Ich schob ihn zur Tür. »Dann tun Sie es jetzt. Überzeugen Sie sie.«
Er blieb stehen und sah mich an. »Das werde ich. Aber bei einer Sache haben Sie sich getäuscht.«
»Ach ja? Und was könnte das sein?«
»Was auch immer man Ihnen über mich erzählt hat, Sie schätzen mich falsch ein.«
»Das werden wir noch sehen«, sagte ich.
Er fuchtelte mit einem Finger vor meinem Gesicht herum. »Fragen Sie. Fragen Sie Mari, und sie wird es Ihnen sagen.«
»Nehmen Sie den Finger runter, sonst breche ich ihn«, herrschte ich ihn an. Er ließ die Hand sinken, aber die Haltung seiner Schultern deutete immer noch Kampfbereitschaft an. Ich schüttelte den Kopf. Der kleine Scheißer machte mir keine Angst. »Marianne wird mir genau das sagen, was Sie ihr aufgetragen haben.«
Er seufzte. »Glauben Sie, was Sie wollen. Am Ende werden Sie schon noch die Wahrheit erfahren.«
»Genau, Bradley, das werde ich.«
22
Dantalion ist ein großer und mächtiger Fürst der Hölle. Er kennt die Gedanken aller Männer und Frauen und kann sie nach seinem Willen verändern. So oder so ähnlich stand es geschrieben im sagenumwobenen Buch Henoch.
Nachdem er die Hunde ruhiggestellt hatte, konnte er unbehindert durch den Hintereingang ins Haus eindringen. In einer Diele hatte er einen zeitunglesenden Mann vorgefunden und ihm in den Hals geschossen. Dann war er weitergegangen. Im vorderen Teil des Hauses fand er einen Mann in einem abgedunkelten Raum, der nur durch zahllose Überwachungsmonitore erleuchtet wurde. Er döste vor sich hin, Dantalion tötete ihn, ohne dass er je wieder wach wurde. Als Nächstes überprüfte er den gegenüberliegenden Flügel des Hauses. Dort schoss er zwei Wachmännern in den Rücken. Sie brachen auf dem plüschigen Teppich zusammen, der ihren Aufprall dämpfte.
Und dann war er auf der Treppe, auf dem Weg nach oben, konzentriert auf die Aufgabe, die er sich gestellt hatte. Die Zahlen in seinem Buch mussten wieder stimmen, und es gab nur einen Weg, das in Ordnung zu bringen.
Zahlen sind die Basis für Gleichungen, rief er sich ins Gedächtnis. Gleichungen sind Formeln mit fest vorgegebener Auflösung. Sie gaben ihm die Antworten auf seine Existenz.
Antworten. Deshalb war er hier. Er wollte Antworten.
Am oberen Treppenende angekommen, hörte er Stimmengemurmel aus einem Zimmer zu seiner Linken. Er nahm ein Ersatzmagazin aus seiner Hosentasche, ließ das halb geleerte Magazin aus seiner Pistole gleiten und führte das volle ein. Er lud durch. Mit neuer Entschlossenheit ging er weiter den Flur
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