Das Blutgericht
Person getan haben, die nun ihr Kruzifix besaß. Marianne hatte mir nicht gesagt, wer das war, aber ich hatte einen Verdacht. Und wenn der sich als berechtigt herausstellen sollte, dann würde der Betreffende dafür bezahlen müssen.
Aber zuerst musste ich sie in Sicherheit bringen. Aktuell gab es eine viel größere Bedrohung für sie als die Person, die sie grün und blau geschlagen hatte: das verrückte Arschloch, das hinter uns herfuhr.
Wir wussten immer noch nicht, wer der Killer war. Aber eines musste ich ihm zugestehen: Der Hurensohn war gut. Seagrams Wachmannschaft musste er umgelegt haben wie eine Horde Zinnsoldaten. Sonst wäre er uns jetzt nicht auf den Fersen gewesen.
Wir näherten uns dem Highway, ich sah die Bremslichter an dem Wagen vor mir aufleuchten. Seagram verlangsamte seine Fahrt zusehends. Ich bremste und fluchte vor mich hin.
Marianne riss verängstigt die Augen auf.
»Alles in Ordnung«, log ich. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
Wir hätten einen guten Vorsprung vor der Limousine, die uns verfolgte, halten können, wäre da nicht eine Sache gewesen: Das Tor, das zur Highway-Zufahrt führte, war verschlossen. Wir hätten vorher daran denken und das Tor von der Kontrollzentrale im Haus aus öffnen lassen sollen. So musste ich jetzt zusehen, wie Seagram aus dem Wagen vor mir sprang und zu einem Tastenfeld sprintete. Er trommelte auf den Knöpfen herum und war schon wieder auf dem Weg zurück in den Wagen, als sich das Tor endlich quälend langsam nach außen hin öffnete.
Etwas, das wie eine wütende Hornisse klang, zischte an meiner rechten Schulter vorbei, sternförmige Risse zeigten sich in der Windschutzscheibe. Von irgendwo hinter mir hörte ich den Knall einer Pistole, als der Schall schließlich dem Hochgeschwindigkeitsgeschoss folgte.
Aus dem Fenster brüllte ich Seagram an: »Bring die Scheißkarre endlich in Gang!«
Eine weitere Kugel durchdrang den Innenraum von Rinks Porsche und bohrte sich in das luxuriöse Armaturenbrett. Rink würde mächtig sauer werden, aber das musste ihm eine Lehre sein. Er hätte das Fortbewegungsmittel seiner Wahl wohl etwas besser auf seinen Beruf abstimmen sollen. Das Stoffverdeck bot schon gegen ein gut geworfenes Messer wenig Schutz – von einer Pistolenkugel ganz zu schweigen.
Wieder in die Limousine eingestiegen, trat Seagram das Gaspedal durch und zwang den schweren Wagen durch das sich öffnende Tor. Mit der vorderen Stoßstange blieb er am Tor hängen. Sie riss ab und nahm einen guten Teil des Kotflügels mit. Auf ein Fahrzeug im Wert von einer halben Million Dollar nimmt man keine Rücksicht mehr, wenn einem der Tod ins Auge blickt.
Wie wir es abgemacht hatten, zog Seagram die Limousine nach rechts. Sekunden später bog ich nach links ab – in falscher Fahrtrichtung auf dem vierspurigen Highway. Zweihundert Meter weiter – ich war unglaublich dankbar dafür, dass mir niemand entgegengekommen war – jagte ich mit dem Porsche über das Kiesbett, das die beiden Fahrtrichtungen trennte, auf die richtige Seite der Straße. Kies und Sand stoben auf, als ich beschleunigte. Zu unserer Rechten lag der Inter-Coastal Waterway und dahinter die Lichter des Festlands.
»Folgt er uns noch?«
Mariannes Worte ließen mich in den Rückspiegel schauen.
»Ja.«
»Oh Gott«, flüsterte sie.
Der Killer war vor die Wahl gestellt worden. Rechts oder links. Er hatte sich dafür entschieden, nach links abzubiegen. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte Seagram und dessen Beifahrer verfolgt statt uns. Ich war zwar besser in der Lage, meine Insassin zu schützen, als Seagram, aber ich hätte lieber zuerst Marianne aus der Gefahrenzone gebracht und mich erst danach dem Bastard gewidmet und ihm gezeigt, mit wem er sich angelegt hatte.
Meine beste Waffe war nun die Geschwindigkeit.
Ich jagte den Porsche hoch auf 240. Der Lincoln hinter mir hielt immer noch mit. Holte vielleicht sogar etwas auf. Der Fahrer steckte seinen Kopf aus dem Fenster. Ich sah das Mündungsfeuer aufblitzen, aber der Schuss ging im Fahrtwind unter.
Ich drückte Marianne nach unten. »Lösen Sie Ihren Gurt«, befahl ich ihr. »Legen Sie sich in den Fußraum. Ziehen Sie die Weste aus, wenn Sie das schaffen, und schützen Sie damit Ihren Kopf.«
Der Kofferraum und die Sitze würden die Kugeln nicht aufhalten, aber ich schätzte, dass unser Verfolger etwas höher zielen würde, wo er sich einen Körpertreffer versprach. Marianne wäre dort unten vergleichsweise sicher, es
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