Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
»Auf die Vorstellung kann ich verzichten.«
»Ich auch«, meinte Varosch mit Inbrunst. »Lebend begraben zu sein …«
»Ihr verkennt den Punkt. Es geht nicht darum, mit diesem Gift zu töten, sondern darum, den Tod vorzutäuschen. Es gibt ein Gegengift, und ein Grab wird meist nicht so gut bewacht. Es ist eine gute Art, jemanden zu entführen, denn einmal be- graben, schaut man selten nach, ob die Toten auch dort liegen bleiben, wo man sie gebettet hat.«
»Warum sollte …«, begann ich.
Zokora bedachte mich mit einem mitleidigen Blick. »Hat man erst jemanden in seiner Gewalt, der für tot gehalten wird, kann man ihn in Ruhe über das befragen, was er weiß. Danach kann man ihn ja noch immer zu seinen Göttern schicken. Ich habe es auch schon so gemacht. Serafine und du, ihr wisst vieles, was der Feind besser nicht erfahren sollte.«
»Du vergisst eines«, sagte ich und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie Zokora ihre Opfer zu befragen pflegte. »Die Stadt wird belagert, und wir wissen um die Gefahren von Krankheiten und Seuchen. Wird eine Stadt belagert, ist es üblich, die Toten zu verbrennen.«
»Also will man uns nur töten«, stellte Zokora fest. Sie schien mir fast enttäuscht.
»Nur töten?«, wiederholte Varosch trocken. »Dann bin ich ja beruhigt.« Er schaute zu mir hin und lächelte etwas schief.
»Also auch dir, Havald«, sagte er leise. »Willkommen zu Hause.«
Es gab weiteren überraschenden Besuch, bevor die Flasche Wein, die wir vorhin angebrochen hatten, nur zur Hälfte leer war. Diesmal war es Lanzenmajor Blix, der breit grinsend vor der Tür stand. »Schaut, wen ich euch mitgebracht habe …«
Stabssergeantin Grenski meinte er wohl nicht, die gehörte ja zu ihm, als ob sie bei ihm angewachsen wäre. Sie trat jetzt zur Seite, um eine andere vorzulassen, eine blonde Frau mit feenhaften grünen Augen und einem breiten Lächeln, das ich schon lange nicht mehr gesehen hatte.
»Sieglinde«, rief Serafine erfreut und sprang auf, um der ehemaligen Wirtstochter entgegenzueilen. »Und Janos!«
»Na, Havald«, grinste Janos, während er sich durch die Tür duckte. »Hättest du gedacht, als wir uns kennenlernten, dass du dich mal freuen würdest, mich wiederzusehen?«
»Höchstens, dich baumeln zu sehen«, lachte ich, doch bevor ich ihn begrüßen konnte, hielt ich plötzlich Sieglinde in meinen Armen, die mich breit anlachte.
»Du bist jünger geworden!«, rief sie und sah schelmisch zu Janos hin. »Denkst du immer noch, du siehst besser aus als er?«
»Ich denke es nicht nur, ich weiß es«, lachte Janos. »Aber ja … gut zu sehen, dass du doch nicht gestorben bist.« Er erspähte an mir vorbei die Flasche Wein und griff sie sich, um nachzusehen, wie viel noch darin war. »Gut!«, rief er erfreut. »Das wird reichen, damit uns nicht der Hals austrocknet, während wir euch erzählen, was hier alles geschehen ist. Aber sage mir zuerst, kann es sein, dass der Kerl, der vor deiner Tür steht und Weiberkleider trägt, auch zu dir gehört?«
Ich zog die Tür auf, und da stand in der Tat ein Kerl in Weiberkleidern.
»Warum habt Ihr nicht geklopft?«, fragte ich Ser Yoshi. Der lächelte nur freundlich. »Ich habe warten wollen.«
»Worauf?«
Sein Blick wies nach vorn in den Gang, wo jetzt Ragnar erschien und siegreich ein kleines Fässchen in die Höhe hielt. »Ich hab doch etwas finden können«, rief er freudestrahlend. »Ist zwar auch nur Eselspisse, aber wenigstens schäumt es, und man kann sich damit betrinken!«
Ragnar war klug. Gebildet. Ehrlich und fleißig. Es gab kaum einen besseren Freund als ihn … Er war zudem gerissen und verstand sich darauf, jemanden in die Irre zu führen. Er mochte die Rolle des tumben Nordmanns, der seinen einfachen Vergnügungen nachging. Es sorgte dafür, wie er mir einmal berichtet hatte, dass man ihn regelmäßig unterschätzte. Es war nur eine Rolle, erinnerte ich mich, als er breit grinsend Yoshi auf die Schulter klopfte und ihm das Fässchen in die Hand drückte.
Was nicht bedeutete, dass es ihm keinen Spaß bereitete, diese Rolle zu spielen. Und es gab noch einen anderen hier, der eine Rolle spielte. Yoshi.
Ragnars Art, andere »freundschaftlich« zu begrüßen, brachte sogar mich manchmal ins Wanken. Doch als er eben Ser Yoshi so bedachte, brachte es weder das freundliche Lächeln noch den Mann selbst aus dem Tritt, genauso hätte Ragnar auch einer Eiche auf die Schulter klopfen können.
Ragnars Blick suchte den meinen, für einen
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