Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
Moment hielt er die Maske nicht aufrecht, war wieder dieser kühl berechnende Krieger, den ich damals kennengelernt hatte. Jetzt wussten wir etwas mehr von unserem Beobachter.
»Hier ist Bier!«, rief Ragnar und streifte seine Maske wieder über, während er sich durch die Tür duckte. »Wer braucht schon Wein, wenn wir doch Bier haben!«
Es war voll geworden in meinem alten Quartier. Maske oder nicht, Ragnar verstand sich darin, gute Laune zu verbreiten. Zudem gab es viel zu erzählen, die Zeit bis zur siebten Kerze verging so wie im Flug.
Ich wusste jetzt mehr von Byrwylde und der Schlacht von Lassahndaar und von der Rolle, die ein falsches Schwert gespielt hatte. Ich verstand nach wie vor nicht, wie Wiesel nach Illian gekommen war, aber ich war ihm mehr als dankbar dafür. Bruder Faban, Schwester Sondja, alte und neue Namen stürmten auf mich ein, vor allem aber einer: Graf Render. Ich hatte schon damals den alten Grafen in Verdacht gehabt, an Eleonoras Schicksal mitgewirkt zu haben, jetzt, da es bestätigt wurde, dass er Teil der Verschwörung gewesen war, bedauerte ich es, dass er meiner Rache entkommen war. Leandra hatte den jungen Grafen noch auf dem Marktplatz mit einem Streich erschlagen, ein viel zu gütiges Schicksal für ihn, doch dass der alte Graf ungestraft sein Leben hatte leben können, lag mir quer im Hals.
Bis Sieglinde etwas sagte. »Leandra grübelt, was sie mit ihm machen soll. Die Herzogin drängt auf einen Schauprozess und eine Hinrichtung, die dem Verbrechen angemessen ist, Schwester Sondja dagegen drängt zur Gnade und zu einem schnellen Tod für diesen Königsmörder. Zurzeit sitzt er, in schwere Ketten geschlagen, im Kerker und harrt seines Schicksals, bis sich Leandra um ihn kümmern kann.«
»Er hat die Folter überstanden?«, fragte ich sie ungläubig.
Sie schüttelte den Kopf. »Es hat keine Folter gegeben, sie war nicht nötig, wir haben Beweise genug, dass er all das schon seit Jahren plante. Der junge Graf, sein Sohn, gierte nicht minder nach der Krone, aber es war der Vater, der ihm geduldig den Weg bereitet hat. Er wird seinem Schicksal nicht entkommen«, beruhigte mich Sieglinde. »Aus diesen Kerkern, heißt es, ist noch niemals jemand entkommen. Ach, habe ich dir schon erzählt, wie Leandra auf den Hund gekommen ist?«
Was dann der Moment war, in dem ein blasser Page klopfte und uns daran erinnerte, dass wir auch noch auf ein anderes Fest geladen waren.
Nun, den Hund sah und hörte ich fast als Erstes. Er lag vor der großen Tafel auf dem Boden und nagte an einem massiven Rinderknochen, das Bersten des Knochens war kaum zu überhören. Das Vieh übertraf sogar Sieglindes Beschreibung, es war ein wahres Ungeheuer von einem Hund, ein Veteran von tausend Kämpfen, von denen ein jeder seine Narben hinterlassen hatte. Er hob den Kopf, hörte auf zu nagen, und seine wachsamen Augen fanden mich über die große Halle hinweg. Er musterte mich prüfend, dann ließ er sein mächtiges Haupt sinken und nagte weiter an diesem Knochen. Eine verwandte Seele, dachte ich erheitert und führte Serafine in den großen Raum hinein.
»Lanzengeneral Roderik, Graf von Thurgau, Schwertobristin Helis aus dem Haus des Adlers aus dem fernen Bessarein!«, dröhnte der Haushofmeister … und obgleich die große Halle bis zum Bersten gefüllt war und uns der Lärm der Unterhaltungen wie eine Woge entgegengebrandet war, verstummten jetzt die Gespräche, und ein jeder gaffte uns an und eine Stille legte sich über die große Halle wie die vor einem Sturm. Von der Mitte der fernen Tafel sah Leandra mit einem Lächeln auf und erwies uns die Ehre, sich zu erheben.
War es eben schon still gewesen, wurde es jetzt noch stiller, nur Kroms Nagen war nach wie vor zu vernehmen.
»Es ist müßig, den Lanzengeneral vorzustellen oder lange Reden zu halten«, sagte Leandra mit ihrer klaren Stimme, die jeden Winkel der alten Halle füllte. »Wie wir alle habe ich einen Zettel an einen Apfelbaum gebunden, um die Götter zu bitten, dass sie ihn mir senden mögen. Die Götter erhörten mein Flehen, und sie haben ihn mir geschickt. Er ist es, der mir den Weg bereitet hat, nach Askir … und wieder hierher zurück. Er mag nun die Uniform der Legion tragen, denn er ist es, der sie gegen den Feind führen wird, doch wir kennen ihn als den Wanderer, weil er so viele Wege geht. Doch wohin ihn auch diese Wege führen, er kehrt doch immer zu uns zurück.« Sie machte eine kleine Pause. »Willkommen«, sagte sie dann leise,
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