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Das boese Blut der Donna Luna

Das boese Blut der Donna Luna

Titel: Das boese Blut der Donna Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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sehen. Am nächsten Tag war Neumond. Hinter dem Haus ein halb verdorrter Gemüsegarten, ein paar Obstbäume, ein Heuschober und ein Holzschuppen. Dieses Stück Land hatte Don Silvano Traversos Vorfahren womöglich Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ernährt.
    Aus den Fenstern drang kein Lichtschein, sie waren geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Die beiden Männer gingen um das Haus herum. Auf der Rückseite parkte ein Toyota Corolla. Die Schlüssel steckten. »Er ist im Haus«, flüsterte Tano Marco zu, ohne jemand Bestimmtes zu meinen. Sie legten die Hände an die Pistolen, zogen sie heraus, entsicherten sie und näherten sich vorsichtig der dunkelgrünen Metalltür, dem einzig neuen Element inmitten der alten Steinmauern. Die Tür war verschlossen. Was tun? Klopfen? Tano beschloss, auf anderem Weg hineinzugelangen. Auf der linken Hausseite reichte eine Glyzinie bis zu einem augenscheinlich angelehnten Fenster im ersten Stock. Der gewundene Stamm war sehr dick, die Zweige hatten ein Holzgerüst überwuchert und bildeten eine Laube. Mit ein bisschen Geschick ließ sich das Fenster erreichen. Auf Tanos Zeichen kletterte Marco die Holzstruktur hinauf. Kurz darauf drückte er das Fenster auf, machte ein Zeichen, dass er hineinkletterte, und verschwand.
    Angespannt und nervös blickte sich Tano um, im Haus war nicht das kleinste Geräusch zu hören. Die Natur ringsherum war seltsam still, selbst die Vögel schienen den Atem anzuhalten. Einige Minuten vergingen und die Unruhe des Polizeivizes steigerte sich zur Besorgnis, da öffnete Marco endlich die Tür und winkte ihn herein.
    »Alles okay, im Haus ist keine lebende Seele«, sagte er und sah ihn vielsagend an, »nur eine, die gerade beim lieben Herrgott auf der Matte steht.«
    Tano hatte verstanden.
    »Der Priester?«
    »Der Priester.«
    Sie traten in eine riesige alte Bauernküche, die jeden Nostalgiefan in Ekstase versetzt hätte. Fast alles war noch original, wie in einem Bauernmuseum. Der Backtrog, das Bord mit den alten Keramiktellern, der lange Tisch aus massivem Nussholz, die geflochtenen Stühle, der gusseiserne Ofen in der Ecke mit dem Topf darauf, der riesige steinerne Kamin an der Stirnwand. Das elektrische Licht, das Tano beim Eintreten angeschaltet hatte, passte nicht in diese Umgebung, die eher für das schummrige Licht einer Petroleumleuchte geschaffen war. An den Wänden hingen alte, für das Landleben einst unerlässliche Gerätschaften, ein Pflug, eine hölzerne Harke, ein Maultierjoch, eine Röstmaschine, eine Kaffeemühle und noch andere Dinge, deren Zweck Marco nicht kannte. Auf dem Tisch stand eine noch verschlossene Weinflasche.
    Marco gab Tano ein Zeichen, ihm zu folgen, und sie betraten einen zweiten Raum, eine Art Abstellkammer. Von dort aus ging es in eine Diele, von der eine Steintreppe ins obere Stockwerk führte. Zwei Türen führten in zwei weitere Zimmer, eines diente als Wohnzimmer, das andere als spartanisch eingerichtetes Arbeitszimmer. Beim Eintreten schlug Tano ein allzu bekannter Geruch entgegen, der Geruch des Todes.
    Die Hitze in den geschlossenen Räumen hatte den Verwesungsprozess von Don Silvanos Leiche offenbar beschleunigt. Der Priester saß in einem alten, mit verschossenem, hellblau geblümtem Chintz bezogenen Bergère-Sessel. Der Polizeivize hielt mit den Augen jedes Detail fotografisch fest. Das Opfer saß zurückgelehnt, die Unterarme auf den Lehnen. Der Kopf war unnatürlich zurückgebogen, wie in einem Krampf, die aufgerissenen Augen stierten etwas an, was sie nicht mehr sehen konnten. Um den Hals – und wer ihn gewürgt hatte, musste das mit ungeheurer Kraft getan haben, denn die Haut war bis aufs Fleisch zerfetzt – eine Goldkette mit dem Bildnis der Madonna von Fatima. Nelly hätte diese Kette etwas gesagt, doch den beiden sagte sie nichts oder allenfalls, dass Don Silvano aus Hohn mit einem Heiligenbild ermordet worden war. Die Hände auf den Lehnen waren zu Krallen verkrampft, die Finger gruben sich in den Stoff. Auf seinem Gesicht lag keine Angst, nur blankes Erstaunen. Es sah aus, als hätte Don Silvano nicht den mindesten Argwohn gegen seinen mörderischen Gast gehegt, dem er bedenkenlos den Rücken zugewandt hatte.
    Während Tano im Präsidium anrief, nahm Marco das Zimmer unter die Lupe. Auch hier einfache dunkle, »ärmliche« alte Möbel, an den Wänden Bilder längst Verstorbener in Kleidung aus dem neunzehnten oder frühen zwanzigsten Jahrhundert, ein paar sepiabraune Fotografien milchgesichtiger

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