Das boese Blut der Donna Luna
glauben. Don Silvano ... da tut einer nur Gutes, und das hat er dann davon.«
Dottor Parodi schüttelte fassungslos den Kopf.
In dem Moment kam Laurenti herein, gefolgt von Palmieri. Der Staatsanwalt wirkte völlig verwirrt, seine zur Schau getragene Überheblichkeit hatte einen Dämpfer bekommen, und das wollte viel heißen. Was war denn bloß los? An diesem Tag schien der Teufel höchstpersönlich aus der Hölle gekommen zu sein, um in der Stadt sein Unwesen zu treiben. Eine Journalistin, ein Anwalt und sogar eine Polizeiinspektorin hatten sich anscheinend in Luft aufgelöst, ein bekannter und geachteter Priester wurde in seinem Landhaus erwürgt, womit musste man denn noch rechnen? Und was gab es Neues, was hatte man unternommen, verdammt? War man sich sicher, dass diese Dinge mit den enthaupteten Frauen zu tun hatten, hundertprozentig sicher? Was würden die Medien sagen, o Gott, die Medien. Und der Fernsehauftritt mit Palmieri, vielleicht sollte man den besser verschieben ...
Palmieri sah sich still und leise um und schien von dem Wortschwall, der sich über Tano und Marco ergoss und den die beiden reglos und ohne zu widersprechen über sich ergehen ließen, nichts mitzubekommen. Dann erfüllte ein unwirkliches Schweigen das Zimmer. Laurenti blickte Zuspruch heischend in die Runde, traf jedoch nur auf ausweichende oder unterkühlte Blicke. Er nahm sich zusammen.
»Nun ja, Dottor Esposito, ich wollte damit sagen, so eine richtig tolle Figur machen wir dabei alle nicht, finden Sie nicht?«
»Durchaus, Dottor Laurenti, durchaus. Alles scheint bei ›Mani amiche‹ zusammenzulaufen. Doch die Zusammenhänge sind nicht klar. Wir müssen diesen Manara finden, der ist momentan unser Hauptverdächtiger, und vor allem die Pieretti und Amanda, möglichst lebend.«
Laurenti hatte sich wieder eingekriegt. Er gab seine üblichen Anweisungen und machte sich mit der dringenden Bitte, umgehend über jede weitere Entwicklung informiert zu werden, aus dem Staub. Palmieri blieb. Er studierte alles eingehend mit seiner typischen abwesenden Miene und wirkte wieder so selbstsicher wie zu Beginn der Ermittlungen.
»Und, Alessandro, was meinen Sie?«
»Nun ja, dem Profil nach ist Federico Manara geradezu perfekt. Das Gewaltpotential, das in ihm schlummert, ist enorm. Bis es explodiert. Außerdem ist er mit der Sacco verschwunden, und die Wohnung gehörte seiner Mutter. Sie sagten mir, er sei mit Don Silvano seit der Schule befreundet gewesen ... Das Wichtigste ist, ihn und die Frauen rechtzeitig zu finden.«
Tano und Marco nickten nachdenklich und alarmiert. Genau, rechtzeitig. Tano rief im Galliera-Krankenhaus an. Dottoressa Rosso schlafe, ihre Werte seien allesamt normal, doch sie sei noch immer unter Beobachtung. Don Silvanos Leiche wurde abtransportiert, nach und nach leerte sich der Tatort, und das alte Haus versank in der dunklen Stille der Sommernacht.
Amanda Sacco blinzelte ein paar Mal, ihr Kopf schmerzte, ihre Zunge war belegt. Sie brauchte nicht lange, um zu merken, dass sie sich nicht rühren konnte. Sie war fest mit Paketklebeband gefesselt, die Hände hinter dem Rücken und auch die Füße. Die Beine waren angewinkelt, die Knie bis vors Gesicht hochgezogen, der Mund ebenfalls verklebt. Sie versuchte, die Panik niederzukämpfen, die unaufhaltsam in ihr aufstieg und ihr buchstäblich die Haare zu Berge stehen ließ. Sie wusste nicht, wer sie in seiner Gewalt hatte, doch es war der Mörder, so viel war gewiss. Das Letzte, das sie erinnerte, war der pferdegesichtige Manara, der mit ihr redete und ihr sagte ... Was hatte er gesagt? Und dann war es dunkel geworden. Auch der enge, niedrige Ort, an dem sie sich befand, war dunkel, doch nach und nach konnte sie etwas erkennen und hörte eine andere Person, ehe sie sie sehen konnte, ein gepresstes Atmen ganz dicht neben ihr.
Von oben, durch einen schmalen Schlitz in der Wand, ein Fenster vielleicht, sickerte schwaches Licht herein. Amanda kniff die Augen zusammen und erkannte das Gesicht der Person, die zusammengeschnürt wie sie selbst neben ihr lag.
Es war Gemma, die Journalistin. Sie wirkte bewusstlos, ihre Augen waren geschlossen. An der hinteren Wand des kleinen Raumes lag jemand zusammengekauert und für Amanda unsichtbar im Dunkel und wimmerte leise.
XVII
Nelly erwachte mit einem seltsamen Gefühl, das sie bald als Appetit deutete. Das Licht, das durch die Fenster fiel, war nicht mehr grell, fast so, als wäre später Nachmittag und nicht früher Morgen, wie
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