Das boese Blut der Donna Luna
ruhiggestellt werden sollten, das Medikament verschafft hatte. Jetzt saß Alessandro Palmieri fast verloren da, getroffen von den neuesten Entwicklungen und vor allem von Gemmas und Amandas Verschwinden. Was Laurenti anbetraf, war offensichtlich, dass ihm der Verlauf der Dinge gar nicht schmeckte. Von wegen Erfolg und Triumph, ihnen stand das Wasser bis zum Hals.
»Das ist kein bisschen konsequent, ich begreife das nicht, weder die Journalistin noch Inspektor Sacco entsprechen seinem bisherigen Beuteschema. Und was diesen Avvocato Manara betrifft, sprechen die Indizien zwar gegen ihn, doch Indizien brauchen bekanntlich Beweise. Ihrer Beschreibung nach, Marco, würde er dem Profil entsprechen, ja, psychologisch passt das. Habt ihr eine Idee, wo der geblieben sein könnte?«
»Bisher tappen wir komplett im Dunkeln, der Vater, der Onkel und die Brüder haben ihn weder gesehen noch von ihm gehört. Verschwunden, wie die beiden Frauen. Wenn er sie in seiner Gewalt hat und wir sie nicht rechtzeitig finden, vorausgesetzt, er ist es wirklich ...«
Tano wollte die naheliegende, grauenvolle Schlussfolgerung nicht aussprechen. Dann durchzuckte ihn ein Gedanke.
»Don Silvano ist nicht zu erreichen, er ist zu einem Kongress nach Turin gefahren, sagt die Sekretärin von ›Mani amiche‹, aber wozu gibt’s diese Scheißtelefone eigentlich, wenn sie eh abgeschaltet sind, sobald man sie braucht?«
»Wir haben eine Fahndung für Federico Manara herausgegeben. Wir haben Beamte zu seinen Immobilien geschickt, um nachzusehen, ob er dort ist, und ich sitze gerade an einer Recherche zu den Häusern und Wohnungen seiner Angehörigen. Wer weiß, vielleicht kommt ja was dabei heraus.«
Valeria war wie immer auf dem Posten, sie war einfach nicht unterzukriegen.
»Super, Valeria, sehr gut. Kannst du dich mit der Sekretärin dieses Kongresses in Turin in Verbindung setzen? Wir können Don Silvano nicht erreichen, vielleicht können die ihn für uns ausfindig machen.«
Valeria machte sich sofort an die Arbeit, das Adrenalin schien die Auswirkungen der Hitze aufzuheben und ihr unbegrenzte Energie zu spenden. Insgeheim hoffte sie nur, dass sie nicht auch noch im Krankenhaus landen würde wie Commissario Rosso. Seltsam allerdings, dass Nelly so zusammengeklappt war, eine starke Frau wie sie. Die jedoch zugegebenermaßen zu solchen plötzlichen Aussetzern neigte. Früher war das auch schon vorgekommen, allerdings nie so heftig und lebensbedrohlich. Sie blickte zum Himmel auf und seufzte, hin und wieder hörte man fernes Donnergrollen über dem Meer oder den Bergen, doch der so sehr herbeigesehnte Wolkenbruch blieb aus. Die Zeitungen und das Fernsehen kündigten ihn Woche um Woche, Tag um Tag an und ließen ihn zu einer Fata Morgana werden. Der Himmel sah aus wie versteinert.
Es brauchte nur ein paar Telefonate, und Valeria eilte zu Tano zurück, um ihm zu berichten, was sie herausgefunden hatte: Don Silvano war gar nicht nach Turin gefahren, sein für zwei Uhr nachmittags angesetzter Vortrag war gestrichen worden. Als die erste Sprachlosigkeit überwunden war, in der die beiden sich allarmierte Blicke zugeworfen hatten, verabschiedeten sich Tano und Marco von Alessandro, sprangen in den Dienstwagen des Polizeivizes und rasten zu »Mani amiche«, wo ein verstörter Giuliano Zanni allein zurückgeblieben war, um die Stellung zu halten, und sich mit Bedürftigen und Journalisten herumschlug, die angesichts des morgendlichen Polizeiaufgebots Wind von den Neuigkeiten bekommen hatten und ein bisschen herumschnüffeln wollten.
Nein, er hatte Don Silvano weder gesehen noch gesprochen. Ja, er hatte eine kleine Wohnung im obersten Stock. Was, durchsuchen, weshalb, warum, er könne die Verantwortung nicht übernehmen ... Doch am Ende musste er ihnen den Zweitschlüssel aushändigen. Don Silvanos winzige Behausung bestand aus einem Wohnzimmer mit Pantryküche, einem Bad und einem kleinen Schlafzimmer. Sie war spartanisch eingerichtet, wie eine Mönchszelle. Kein Fernseher, kein Computer, offensichtlich nutzte der Geistliche diese Räume hauptsächlich zum Schlafen. Sie gingen in sein Büro, auch Giuliano fing an, sich Sorgen zu machen, und sperrte sich nicht, doch das Passwort des Computers kannte er nicht. Tano war ein Computercrack, und nach einer halben Stunde hartnäckigen Herumprobierens hatte er es geknackt.
Eine Datei mit dem Namen »Opfer« machte sie stutzig. Sie enthielt minutiöse Recherchen über die ermordeten Frauen, über Diego,
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