Das boese Blut der Donna Luna
lieber, wann du zurückkommst.«
»In einer Woche bin ich in Hamburg, und vor dem nächsten Auslaufen bis September habe ich drei Tage Pause. Die nutze ich für einen Blitzbesuch in Genua.«
»Ja, ach ja!«
Und so ging Nelly mit einem Lächeln zu Bett und träumte von Carlo, der auf einem Segelschiff ankam, um sie vor riesigen schwarzen Piraten ohne Kopf zu retten, die wie Zombies um sie herumschlichen. Da verstehe einer das Unterbewusstsein!
XI
Der Wecker riss sie unsanft aus dem Schlaf. Halb benommen stolperte sie in die Küche, wo zwei frisch benutzte Tassen darauf hindeuteten, dass Mau und Monica schon auf waren. Und bereits verschwunden ebenfalls, wie sie mit einem Blick in das Zimmer ihres Sohnes feststellen konnte. Richtig, es war ja Dienstag, der große Tag der mündlichen Abiprüfung. Waren sie unter den ersten Prüflingen? Sie hatte vergessen zu fragen. Oder vielleicht hatten sie es ihr gesagt, als sie gerade im Geiste dem Mörder auf der Spur war? Wie immer nicht richtig hingehört hatte? Das altbekannte Gefühl, ihrem Sohn nicht gerecht zu werden, befiel sie unerwartet und deshalb noch heftiger als sonst. Komm schon, hör auf damit, schließlich geht er nicht mehr in den Kindergarten, er ist so gut wie erwachsen, so erwachsen, dass er seine Freundin schwängern kann. Der kommt auch ohne seine Mama zurecht, die ihm ständig Händchen hält, oder nicht?
Das ungute Gefühl blieb, verstärkt durch die Mattigkeit, die der bereits morgens um halb acht herrschenden drückenden Hitze geschuldet war. Nicht der winzigste Lufthauch, wahrscheinlich war es in den Tropen noch kühler. Die Katzen hatten sich im offenbar kühlsten Eckchen der Küche ausgestreckt, und Nelly sah sie neidvoll an. Drei von der Hitze entnervte Augenpaare starrten sie an und flehten, sie solle etwas tun. Es regnen lassen zum Beispiel. Schließlich war sie doch die große, mächtige Oberkatze!
»Wenn ich könnte, meine Lieben, wenn ich könnte«, antwortete sie laut auf ihr stummes Flehen. Sie füllte die Futterschälchen, vor allem die für das Wasser, quälte sich in eine beigefarbene Dreiviertelhose – Mist, bin ich schon wieder dicker geworden? Aber ich esse doch nichts! – und ein schwarzes Top und schlurfte in Ethnoflipflops und mit der großen Tasche über der Schulter zu Beppes Weinlokal. Auf dem ersten Tischchen links lag aufgeschlagen vor Gianni und Basile, die angesichts der neuesten Nachrichten ausnahmsweise einmal Frieden geschlossen hatten und sich die Zeitung teilten, der »Secolo« mit einer Skizze der Installation, wie Nelly sie insgeheim nannte, auf der Titelseite. Über die These mit den Mondphasen, die sie Gemma gesteckt hatten, um sie ruhigzuhalten, wurde lang und breit berichtet. Überdies war die Journalistin ihr einziger Kontakt mit dem Mörder. Die beiden Rentner sahen Nelly genauso fragend, flehentlich und vorwurfsvoll an wie ihre Katzen. Tu was, tu endlich was. Das ist alles deine Schuld, die Hitze und die Morde, schienen sie zu sagen. Vielleicht stimmt es. Und eine beschissene Mutter bin ich auch noch. Eine Null auf ganzer Linie. Nellys Gemüt tendierte an diesem Morgen zur Selbstkasteiung. Sie gab sich einen Ruck und lächelte.
»Guten Morgen alle zusammen. Schöner Tag, was?«
Ihrem provokant fröhlichen Satz folgte ein verdattertes Schweigen, dann brachen alle in fast hysterisches Lachen aus. Der Bann war gebrochen, und alle redeten gleichzeitig. Kritik, Gemecker, besorgte, empörte, konkrete, vorwurfsvolle Fragen. Nelly absolvierte ihre ganz persönliche Pressekonferenz mit Bravour, indem sie eine Art Abklatsch von Laurenti lieferte. Derweil verschwanden zwei Cappuccini sowie zwei Stück Zwiebelfocaccia in ihrem Bauch. Mit dem wieder einmal eisernen Vorsatz, das Weinlokal bis zur Lösung des verdammten Falles (In einem Monat? Einem Jahr? Nie?) zu meiden wie der Teufel das Weihwasser, schweißüberströmt und mit unangenehm schwerem Magen trat Nelly wieder auf die Straße und war dem abgasverpesteten Tunnel zur Abwechslung einmal dankbar für seinen schützenden Schatten.
Der Beamte Nicola am Eingang des Präsidiums begrüßte sie finster. Dem muss was auf der Seele liegen, sonst lächelt er immer.
»Ist was nicht in Ordnung, Nicola?«
»Mein Vater, Dottoressa. Er ... er ist sehr krank.«
Sie meinte ein Glitzern unter Nicolas Wimpern zu sehen und sah woandershin, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.
»Das tut mir sehr leid. Wann hast du Urlaub und fährst nach
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