Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
den breiten Stamm einer riesigen Eiche und aßen laut, schmatzten und leckten sich die Finger ab und warfen die dünnen Knochen ins Flussschilf, nur innehaltend, um zu rülpsen. Als sie fertig gegessen hatten, nahm Edward die Pfeife und die Tabakstasche heraus, die er Daddyjacks Leichnam abgenommen hatte, stopfte den Kopf, entzündete ihn mit einem Streichholz und nahm mehrere qualmende Züge, bevor er die Pfeife an John gab.
Sie ließen eine Weile die Pfeife hin und her gehen und rauchten schweigend. Das flackernde Licht des Feuers spielte auf ihren Gesichtern. Dann sagte John: »Was, wenn wir ihr über den Weg laufen?«
Edward sah ihn an. »Wem?«
»Mama. Was, wenn wir ihr begegnen zwischen hier und Texas?«
»
Darüber
hast du nachgedacht?«
John zuckte die Achseln. »Irgendwie schon. Wüsste gerne, warum sie einfach so weg is.«
»Weil sie verrückter is als ein besoffener Indianer, darum.«
»Na, schätze, kann nich schaden, nach ihr zu fragen.«
Edward sah ihn an. »Weißt du was – ich
hoffe
, dass wir sie verdammt noch mal finden, weil ich diese Maultiere haben will.«
John starrte ihn kurz an. »Schätze, sie dachte, sie hat ein Recht drauf.«
»Also
ich
schätze, uns stehen die genauso zu wie ihr. Wenigstens eins. Müssten nicht bis nach Texas zu Fuß latschen, wenn wir ein verdammtes Maultier hätten.«
Sie starrten eine Weile ins Feuer, und dann sagte John: »Was meinst du, was werden wir in Texas tun?«
Edward sah seinen Bruder an und zuckte die Achseln. »Was meinst
du
?«
»Hab noch nicht viel drüber nachgedacht.«
»Na, ich auch nich. Schätze, wir gehen da einfach hin, und dann sehen wir schon, was wir da machen.«
»Is mir recht«, sagte John. Er musterte einen Moment den wolkengestreiften Himmel, zog dann Schleim hoch und spuckte ihn ins Feuer. »Trotzdem, ich hab die letzten paar Tage drüber nachgedacht. Hab gedacht, dass es vielleicht, na ja, schön wär, wenn wir unser eigenes Haus hätten.«
Edward starrte ihn an.
»Warum nicht?« begann John sich zu rechtfertigen, als er den Einwand im Blick seines Bruders wahrnahm. »Du hast die ganzen Siedler vom Waldland in Texas reden hören. Sie sagen, es ist genauso gut wie in Florida, vielleicht besser. Wir könnten uns einen Teil davon holen und was Gutes aus dem Ding machen. Wer weiß mehr übers Bäumefällen als wir? Sag mir irgendwas, das wir nicht übers Sägen wissen. Wir könnten unsere eigene Mühle haben. Wenn Daddyjack auch sonst nicht viel getaugt hat, hat er uns doch alles beigebracht, was es übers Holzfällen zu wissen gibt.«
Edward stopfte wieder die Pfeife. Sie hatten nie drüber gesprochen, aber er hatte immer das Gefühl gehabt, dass John sich nichts mehr wünschte, als sein eigenes Stück Land zu bearbeiten und eine Familie zu gründen, so wie die meisten Männer. Das Haus in Florida wäre das natürliche Geburtsrecht seines älteren Bruders gewesen, doch jetzt waren beide entwurzelt, und Edward wusste, dass dieser Umstand John mehr zu schaffen machte als ihm. Während er die Pfeife stopfte und ein Streichholz entzündete, um sie anzustecken, wurde auch ihm klar, dass er nicht sein eigenes unbestimmtes und ruheloses Sehnen über die Treue zu seinem Bruder stellen konnte, der alles war, was ihm an Familie in der Welt noch blieb. Wenn für John nichts anderes infrage kam, als sich in Texas niederzulassen und einen Streifen Wald zu bearbeiten, dann würden sie das tun.
Trotzdem gab es noch Einwände.
»Was, wenn nix mehr übrig is, um sich niederzulassen?« fragte er. »Was, wenn wir Bargeld zahlen müssen für das Grundstück, auf das du so versessen bist?«
»Nix mehr
übrig?
In
Texas?
Ungefähr die größte verfluchte Gegend, die du jemals gesehen hast? Wo es heißt, dass der Wald einfach immer weitergeht, so weit man sehen kann, und dann noch weitergeht?«
»Ich sag bloß, was wenn?«
»Das is dasselbe, wenn du sagst, was, wenn morgen die Sonne vom Himmel fällt, so is das. Es ist Quatsch.«
»Aber was wenn, Johnny?«
»Dann arbeiten wir für Lohn, verflucht noch mal, bis wir zusammengespart haben, was wir brauchen«, sagte John. »Andere haben das auch schon gemacht, und das weißt du genauso gut wie ich. Denkst du, andere können das und wir nicht? Du und ich zusammen, Ward, wir werden mit allem fertig. Zeig du mir nur den Burschen, der das Gegenteil behauptet.«
So glühend war die Zuversicht seines Bruders, dass Edward grinsen musste.
»Hör zu, Ward. In einer Sache hatte Daddyjack recht. Ein Mann,
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