Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
flüsterte er. Edward sah den dunklen Fleck über seinem Bauch, wo John ihn getroffen hatte, und wusste, dass die Verletzung tödlich war.
»Was willst du, krummer Hund?« fragte John den Stallmann. »Noch einen Tritt in die Nüsse? Willst du, dass ich dich von deinem Leid erlöse?« Er hob das Gewehr, um die Schaftkappe durch das entsetzte Gesicht des Mannes zu treiben, und Edward sagte: »Johnny, nicht.«
John sah ihn an, das Gewehr erhoben.
»Ist nicht nötig«, sagte Edward. »Nicht mehr.« Seine Wunde krampfte, und er fasste hin und taumelte.
John eilte zu ihm. »Verflucht, Junge – du blutest!«
Er ließ sein Gewehr fallen und stützte Edward, während der sich vorsichtig neben dem glühenden Feuer auf den Boden niederließ. Dann half er ihm, das blutdurchtränkte Hemd auszuziehen, und untersuchte die Wunde, so gut es in dem schwachen Feuerschein ging.
»Geht schon«, sagte Edward. »Brennt nur ein bisschen, weiter nix.«
John bestätigte, dass das Geschoss sauber durch den Muskel über dem Schlüsselbein gegangen war. Er sagte Edward, er solle bleiben, wo er war, während er Wasser vom Bach holte. Edward drückte fest auf die Wunde und starrte in die gelbrote Glut, als er vom lauten Stöhnen des Stallmannes aufgeschreckt wurde.
Dann entfuhr der Kehle des Mannes gurgelnd sein letzter Atemzug und verflüchtigte sich in die Nacht.
John wusch Edwards Wunde mit Bachwasser aus und legte ihm einen festen Verband aus dem Hemd des Stallmeisters an. Sie hörten das Wiehern der Pferde, mit denen die Männer gekommen waren, und fanden die Tiere zwischen den Bäumen festgebunden, kurz hinter dem Pfad, und brachten sie zum Bach, um sie zu tränken. In den Taschen der Männer aus Mobile fanden sie zwei Schachteln Zündhölzer, ein fein geschliffenes Schnappmesser und weniger als fünf Dollar. Unter den Habseligkeiten der Toten fanden sie auch Bündel mit geräucherter Meeräsche und gerösteten Maiskolben, und sie fachten das Feuer wieder an, setzten sich daneben und aßen.
Nach einer Weile sagte John: »Ich hätte nie gedacht, dass es sich, ich weiß nicht …
so
anfühlen würde.«
Edward sah noch die Aufregung in den Augen seines Bruders leuchten.
John sagte: »Ich meine, einen Mann zu töten. Ich hab immer gedacht, na ja, ich weiß nicht mehr, was ich gedacht hab … Aber ich hab nie gedacht, dass es sich so … verdammt
richtig
anfühlt …« Er grinste, und dann erinnerte er sich daran, wer der erste Mann war, den sein Bruder getötet hatte, und sein Grinsen verschwand und er sah weg.
Edward war selber kurz davor zu grinsen, hatte dann aber auch an Daddyjack gedacht. »Schätze«, sagte er, »hängt davon ab, wer der Bursche ist.«
»Ja, schätze auch.«
Sie aßen eine Weile schweigend, und dann fragte John, ob er meine, dass andere kommen würden, um nach diesen dreien zu suchen.
»Glaub nicht, dass sich irgendein Sheriff die Mühe macht«, sagte Edward. »Weiß zwar nicht, wer diese andern beiden da sind, aber der Nasenlose hat nix davon gesagt, dass einer von denen vom Gesetz ist. Vielleicht hat er ja versucht, das Gesetz auf uns zu hetzen, aber die werden sich wohl kaum um so was Unwichtiges wie ein Maultier kümmern, für das der Bursche noch nicht mal ein Papier hat. Könnte trotzdem sein, dass irgendwelche Verwandten sie suchen. Besser, wir ziehen weiter.«
Der Himmel war hart und grau im anbrechenden Tag, während sie den Männern ihre Regenjacken, Waffen, Pulver und Munition abnahmen. John nahm die Regenjacke des Stallmeisters für sich selbst. Der Mann, der am Rand der Lichtung ausgestreckt lag, hatte ein beinahe vollkommen rundes Loch über der linken Augenbraue, und als Edward ihn umdrehte, um ihm die gelbe Regenjacke auszuziehen, sah er die große Austrittswunde an seinem Hinterkopf. Ein toller Schuss unter diesen Umständen. John war immer schon der bessere Schütze gewesen.
Er tauschte sein Hemd gegen das unblutige des Mannes, dann wuschen die Brüder die Regenjacken im Bach und zogen sie gegen das anhaltende Nieseln an. Der Mann mit der gelben Regenjacke hatte eine spanische Muskete getragen, die mehr als ein Jahrhundert zuvor geschmiedet worden war. John untersuchte sie, schnaubte verächtlich und schleuderte sie in den Bach. Die anderen beiden Waffen waren gut gepflegte Kentuckys vom Kaliber .45 mit in die Kolben eingebauten Kugelfächern. Dazu gehörten noch beinahe volle Pulverdosen. Einer der Männer hatte zusätzlich noch eine Pistole Kaliber .54 getragen, die John schnell für
Weitere Kostenlose Bücher