Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
an diesem Abend auf einer kleinen Lichtung auf erhöhtem Gelände, dicht bewachsen mit Gebüsch und Laubbäumen und von einem reißenden Bach gesäumt, der hoch zwischen steilen Ufern dahinströmte. Edward hackte Äste von einer Wassereiche, schälte die nasse Rinde ab und benutzte das innere Holz, um ein Feuer zu machen, während John zum Bach ging und eine große Schildkröte für ihr Abendessen erlegte. Sie schnitten Steaks aus ihr heraus und brieten sie auf angespitzten Stöcken, die sie gegen die Feuersteine stützten. Sie fachten die Flammen an und zogen ihre Stiefel aus und stellten sie dicht neben das Feuer. Dann zogen sie sich bis auf die Haut aus und hängten ihre Kleider und Decken an einem Gerüst aus Weidenästen ums Feuer herum, damit diese, während sie aßen, trocknen konnten. Anschließend zogen sie Hosen und Hemden wieder an, rollten sich unter ihren klammen Decken zusammen und schliefen ein.
Edward träumte, er wäre wieder in der Hütte in Florida und säße am Tisch Daddyjack gegenüber, der ihn, ohne Hut und mit wirren Haaren, mit einem traurigen Auge und einer leer klaffenden Augenhöhle anstarrte, die mit Streifen trockenen, blutigen Schleims behängt war. Er wirkte weniger zornig als neugierig und etwas verwirrt. Edwards Herz klopfte. Er sagte Daddyjack, es tue ihm leid, wirklich, aber er habe seinen Bruder beschützen müssen. »Das ist gut«, sagte Daddyjack. »Ich schimpfe dich nicht deswegen, Brüder sollten sich immer umeinander kümmern.« Dann verzog er das Gesicht und schüttelte den Kopf, und Edward verstand nicht und fragte, was er meine, und Daddyjack schüttelte wieder den Kopf. Er drehte sich in seinem Stuhl und blickte aus dem Fenster in das Dunkel dahinter, und Edward sah das zerklüftete rotschwarze Loch in seinem Hinterkopf, wo die Pistolenkugel ausgetreten war. Daddyjack wies in die Dunkelheit hinaus und sagte: »Die Hure weiß es.« Und dann war seine Mutter am Fenster und sah zu ihnen herein und lächelte genau wie damals, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte.
Er wachte im Dunkeln auf. Sein Gesicht war nass und Sprühregen fiel leicht auf das Laub. Ein verschwommener Viertelmond schien trübe durch eilende violette Wolken hindurch. Das Feuer war zu einem Bett hell glimmender Asche herabgebrannt, und in dem Geniesel stieg ein geisterhafter Rauch davon auf. Er hörte ein Rascheln im Gebüsch und vernahm deutlich, wie jemand mit krächzender Stimme flüsterte: »Hier. Sieht aus wie’n Feuer.«
John flüsterte ihm »Ward« ins Ohr und berührte leicht sein Gesicht. Edward nickte, wickelte sich aus seiner Decke und zog seine Stiefel an. Sie steuerten auf die Bäume entlang des Bachufers zu, doch sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, da fiel hinter ihnen ein Gewehrschuss, und Edward spürte einen harten Schlag oben im Rücken und taumelte vorwärts. Er stürzte durch Niederholz schwer das Ufer hinab und in das Hochwasser des rauschenden Baches.
Wasser schoss ihm brennend in Mund und Nase, und er würgte und er spürte, wie er von der Strömung am Boden entlanggeschleift wurde, sodass er nicht aufrecht stehen konnte und sich gewiss war, er würde ertrinken. Er griff wild um sich und es gelang ihm, eine Wurzel zu packen und seine Rutschpartie stromabwärts zu bremsen, wieder festen Boden unter den Füßen zu finden und schließlich den Kopf über Wasser zu bekommen und nach Luft zu schnappen. Er erwischte einen Weidenast und zog sich ächzend die Böschung empor und fiel platt auf den Bauch, verschluckte sich, spuckte einen Strahl Bachwasser aus und blieb dann keuchend dort liegen. Der lange Muskel oben auf seiner Schulter schmerzte schlimm, und er spürte warmes Blut über sein Schlüsselbein rinnen, aber er konnte den Arm beugen und drehen und wusste, dass kein Knochen gebrochen war.
Er blieb still im Gras liegen und lauschte, versuchte, sein schweres Atmen zu dämpfen, und schmeckte das beißende und schlammige Erbrochene in seinem Mund. Ihm war, als hätte er im Wasser einen weiteren Gewehrschuss gehört, aber er war sich nicht sicher. Jetzt hörte er Stimmen in der Dunkelheit weiter oben am Bachufer, aber konnte nicht verstehen, was gesagt wurde. Jemand näherte sich, schob sich durch das Gebüsch, ohne Anstalten zu machen, unbemerkt zu bleiben. Edward nahm behutsam Daddyjacks Schnappmesser aus der Tasche, öffnete die Klinge mit einer Drehung des Handgelenks und kroch tiefer in den Schatten eines großen Busches. Dort hockte er, flach durch den offenen Mund
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