Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
Vom Netzwerk:
und er selber auf den Stufen darunter und verstohlene Blicke unter ihr Kleid warf. Wie sie ihn dabei ertappte und lächelte und ihn gucken ließ. Träumte, dass er sich unten am Fluss in den Büschen versteckte und ihr beim Baden zusah. Davon, wie sie bei einem Baumstamm am Flussufer kniete und von hinten von einem bärtigen Fremden genommen wurde, der im nächsten Augenblick Daddyjack war. Träumte vom Gerichtssaal und von seiner Verurteilung, wo Daddyjack jetzt auch der Richter war, sauber geschrubbt und in Schwarz gewandet, mit einer schwarzen Binde über dem fehlenden Auge, und nicht unfreundlich zu ihm hinabblickte. Er sagte: »Vergeben tu ich dir weder jetzt noch später, mein Junge, das weißt du ganz genau, aber vergiss ja nicht, was ich dir beigebracht hab, wenn du auch nur ein Stück Ehre im Leib haben willst. Denk dran: Du kannst entweder als Schlappschwanz oder mit einem nimmermüden Schwengel sterben. Eine andere Wahl hat man nicht in dieser Welt.«
    Der Block, in den er eingeteilt war, wurde jeden Morgen vor Tagesanbruch geweckt und bekam ein Frühstück von Brot, Sirup und Kaffee vorgesetzt, worauf sie jeweils zu zweit mit einer Kette an den Fußknöcheln gefesselt hinausgebracht und auf einen Gefängniswagen geschafft wurden. Jeden Tag wurden sie in einen anderen Teil der Stadt gebracht, um die Straßen, Gassen und Gräben zu reinigen. Es war ihnen verboten, miteinander zu reden, während sie paarweise mit klirrenden Fußfesseln entlangschlurften, der eine mit einer Schaufel bewehrt, der andere mit einem Sammelsack, in einigem Abstand gefolgt von den gelangweilten Wärtern, die ihre Schrotflinten schießbereit in der Armbeuge hielten. Täglich füllten sie die Säcke mit Unrat aller Art, mit Schlachtabfällen, mit toten Hunden und Katzen, mit verrottetem Fleisch und anderem verdorbenem Zeug. Manchmal fanden sie einen toten Säugling in dem Gassenmüll. Ob das Kind tot oder lebendig ausgesetzt worden war, würde niemand wissen.
    Eine derart alltägliche Erscheinung waren die Häftlingskolonnen, dass die meisten Einheimischen kaum Notiz von ihnen nahmen. Nur hin und wieder geschah es, dass eine Schar junger Mädchen vorbeikam, die sich dann gegenseitig anstießen und hinter vorgehaltener Hand kicherten und tief erröteten, wenn die Häftlinge wollüstig zu ihnen hinüberglotzten und ihnen mehrdeutig zuzwinkerten. Schülerbanden verhöhnten sie und machten sich manchmal ein Spiel daraus, gebückt heranzustürmen, um ihre Fußfesseln zu berühren, und wieder wegzuflitzen. Eines Tages rannte ein Junge heran, um die Kette zu berühren, die John an einen knorrigen Graubart fesselte. Der Graubart spuckte gekonnt durch die Zähne und traf den Jungen mitten aufs Auge, der unter dem Gelächter der Häftlinge heulend die Flucht ergriff. »Geschieht dir recht, verfluchter Frechdachs!« rief ihm einer der Wärter hinterher.
    Der Graubart, dem ein »T« auf einen Wangenknochen eingebrannt war, hieß Lucas Malone. John wurde oft für die Tagesarbeit an ihn gefesselt. Malone neigte mehr als andere dazu, gegen das auferlegte Schweigegebot zu verstoßen, wenn die Wärter außer Hörweite waren – dann flüsterte er anzügliche Bemerkungen über dieses oder jenes Frauenzimmer, das auf der Straße vorbeikam, machte Witze über die Wärter, verfluchte manchmal auch einfach nur das Wetter, denn frühmorgens war es jetzt so kalt, dass ihnen Hände und Füße schmerzten, an manchen Tagen war es so windig, dass sie meinten, die Ohren könnten ihnen erfrieren und abfallen.
    Johns Bekanntschaft mit Lucas Malone wurde des Weiteren durch ihre Nähe im Gefängnisblock gefördert, wo sie zwei nebeneinanderliegende Pritschen an einem Ende ihrer langen, schmalen Zelle beanspruchten. In seiner ersten Nacht in der Zelle entdeckte John, dass der Boden abschüssig war, und dass alles, was aus dem Toiletteneimer herausschwappte, oder verspritzter Urin den Steinboden hinunter zum unteren Ende der Zelle rann. Daher gab es eine Hierarchie, nach der die härtesten Burschen ihre Pritschen am höheren und saubereren Ende der Zelle hatten und die Schwächsten ihr Leben am dreckigen unteren Ende fristen mussten. Bei Johns Ankunft wurde das obere Ende von Lucas Malone und einem Insassen namens Hod Pickett belegt, doch nachdem er eine Nacht in der stinkigen Nässe des unteren Endes der Zelle verbracht hatte, ging John zum anderen Ende und blickte vorsichtig vom grinsenden Lucas Malone zum schlitzäugigen Hod Pickett, bis er zu dem Schluss kam, dass

Weitere Kostenlose Bücher