Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Landstraße dorthin gibt’s jede Menge Wegelagerer. Zu zweit läuft man weniger Risiko, überfallen zu werden, als allein. Ich warte, bis du entlassen wirst, und dann ziehen wir zusammen los. Was meinst du?«
John erwiderte, von ihm aus gerne. Lucas sagte, er würde am Tag seiner Entlassung um sechs Uhr abends in der Red Cat Tavern auf ihn warten, in einer Gasse westlich der Place d’Armes. John sagte, er werde dort sein.
8 Zwei Wochen später bekam er die dreizehn Dollar ausgehändigt, die er bei seiner Verhaftung dabeigehabt hatte, und trat in einen grauen Tag hinaus. Die Bäume schüttelten sich im Nordwind unter tief fliegenden Wolken, und Ladenschilder klapperten an den Ketten über den Bürgersteigen. Er zog seinen Hut ins Gesicht, stopfte die Hände in die Taschen, und dann stapfte er durch einen messerscharfen Wind und betrat das erste Waffengeschäft, auf das er stieß. Eine halbe Stunde später schritt er wieder durch den eisigen Wind, im Bund unter seiner Jacke eine geladene Kaliber-. 54-Steinschlosspistole, deren einwandfreies Funktionieren ihm von dem akkadischen Schmied garantiert worden war, oder Geld zurück. Derart vorbereitet erschien er bei der Gassentür des Hole World Hotel.
Die Pistole schussbereit unter seiner Jacke, drückte er die Tür sachte auf und betrat den kleinen Vorraum, doch es war niemand zu sehen. Er schlich sich vor, bis er unter die Treppennische sehen konnte und den kleinen Tisch unbesetzt fand. Nach den gedämpften Geräuschen zu urteilen, die aus dem Hauptraum drangen, hielten sich dort zu dieser frühen Stunde nur wenige Gäste auf. Er ging langsam die Treppe hinauf, und als er zwei Stufen vom oberen Treppenabsatz entfernt war, wo der Schaukelstuhl leer stand, kam die dicke Negerin aus dem Flur und entdeckte ihn. Sie blieb stehen und schüttelte langsam und resigniert den Kopf, als gebe sie es auf, den Wahnsinn des menschlichen Herzens verstehen zu wollen.
Er trat nah an sie heran, die Pistole noch verborgen, und flüsterte: »Ist sie im selben Zimmer?«
Ihr Lächeln war klein und traurig. »Ach Junge«, sagte sie.
John holte die Waffe hervor. »Ich spaße genauso wenig wie beim letzten Mal, Tantchen. Wo ist sie?«
Die Tür eines der nahe gelegenen Zimmer ging auf, und der Mann namens Harris Wilson, der an jenem Abend die Ärmelhalter getragen hatte, kam in den Flur heraus, steckte sein Hemd in die Hose und zog seine Hosenträger über die Schulter. Er schloss die Tür und wandte sich zum Treppenabsatz, und dann sah er die Pistole aus drei Schritten Entfernung auf sein Gesicht gerichtet und wurde vollkommen still.
»Wo ist sie?« fragte John.
Der Mann blinzelte in die Mündung der Waffe. »Wer ist
wo
?« Dann blickte er von der Pistole zu ihrem Besitzer, erkannte John und sagte: »Oh. Du meinst das Mädchen, das du mitgenommen hast? Teufel, mein Junge, die is nie wiedergekommen.«
»Nicht von selber, denk ich auch nicht«, sagte John. Er spannte die Pistole.
Die Augen des Mannes weiteten sich, und er hob die Handflächen, als könnte er die Kugel abwehren. »Hör … hör zu! Sie ist nicht hier, ich schwör’s!« Blanke Angst zeigte sich in seinem Gesicht. John dachte, dass ihm vielleicht seine Falschaussage vor Gericht einfiel.
»Dann woll’n wir mal nachsehen«, sagte John. Er machte der Negerin ein Zeichen, dass sie in den Flur vorgehen solle. »Du machst jetzt jede Tür auf, Mister«, sagte er. »Du machst sie auf und bleibst stehen, und ich guck dir über die Schulter und seh nach. Wenn dieser Dreckskerl mit der Melone sich in ei’m von diesen Zimmern vergnügt so wie du gerade, dann hab ich nicht vor, als Zielscheibe mitten in der Tür zu stehen.« Er schob den Mann vor sich her zur ersten Tür auf der Rechten, Nummer sechzehn.
»Melone?« fragte der Mann namens Wilson. »Du meinst Barbato? Scheiße, Junge, der ist
tot
.« Er sah sich nach John um. »Ungelogen. Ist eines Abends zum Pissen rausgegangen und nicht mehr zurückgekommen. Paar Tage später haben sie ihn flussabwärts im Schilf treiben sehen, jedenfalls das, was die Hechte von ihm übrig gelassen haben. Anscheinend hat ihm jemand die Kehle durchgeschnitten.«
»Verdammt schade«, meinte John. »Hätt ich gern selber erledigt. Mach die Tür auf.«
»Eins musst du wissen, mein Sohn«, sagte der Mann. »Er hat gesagt, er bringt mich um, wenn ich im Gerichtssaal nicht genau das sage, was er will. Das ist der einzige Grund, warum ich …«
»Mach die Tür da auf.«
Der Mann öffnete sachte die
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