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Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Das Böse im Blut: Roman (German Edition)

Titel: Das Böse im Blut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Carlos Blake
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Tür, und eine nackte Mulattin stand neben dem Bett und blickte ihnen ohne Überraschung oder Neugier entgegen. Wilson schloss die Tür und sie gingen zur nächsten weiter. Sie schauten in jedes Zimmer, und neun davon waren leer, und nur in vier waren die Mädchen an der Arbeit. Keine davon war Maggie. Drei der Männer waren derart vertieft in ihr Vergnügen, dass sie das flüchtige Publikum an der offenen Tür nicht einmal bemerkten. Der vierte funkelte sie über dem Kopf des Mädchens an, das es ihm mit dem Mund besorgte, und sagte: »Was zum Teufel?«, und Wilson machte die Tür schnell wieder zu. Die untätigen Mädchen in den anderen Zimmern blickten ihnen entgegen, als hätten sie die Tür schon vor dem Öffnen angestarrt und würden sie nach dem Schließen weiter anstarren, bis der nächste Kunde kam, um sich mit ihnen zu vergnügen.
    »Die andern Mädchen sind um fünf hier«, sagte Wilson. »Falls du die auch noch sehen willst.«
    Er wusste, dass sie nicht unter ihnen sein würde. Wusste jetzt, dass man sie nicht erwischt hatte und dass sie wahrscheinlich schon längst weg war. Er steckte die Pistole in den Gürtel und steuerte auf die Treppe zu.
    Wilson und die Negerin standen auf dem Treppenabsatz und sahen zu, wie er hinunterging. »Ich kenn tausend junge Burschen, die gedacht haben, dass sie in ’ne Hure verliebt sind«, rief Wilson ihm hinterher, »und das is so ungefähr das Traurigste in der Welt, wenn ich das mal so sagen darf. Verflucht, Junge, wer soll wissen, wo sie jetzt ist? Vielleicht in Texas. ’ne Menge Mädchen gehn nach Texas, weil da die Army ist, und es gibt keine Hure, die nicht glaubt, dass die Army sie reich macht.«
    Bei dem Mietstall auf Tchoupitoulas, wo er und Edward ihre Pferde untergestellt und ihre Gewehre und Habseligkeiten in Verwahrung gegeben hatten, fand er nichts, das ihm oder seinem Bruder gehörte. Der Stallbursche erinnerte sich weder an jemanden namens Edward Little noch an jemanden, der zu Johns Beschreibung passte, noch habe er irgendwelche Nachrichten für jemanden namens John. Er sagte, der Junge, der abends hier arbeitete, würde nach dem Abendessen kommen, falls er ihn befragen wolle. Aber John wollte nicht den ganzen Tag auf einen Jungen warten, der wahrscheinlich auch nichts über Edward wusste.
    Langsamen Schrittes machte er sich auf den Weg zur Place d’Armes, hielt seine Jacke fest um sich geschlungen gegen den eisigen Wind, der ihm in die Wangen schnitt und in den Augen brannte. In dieser Stadt voller Menschen und lauter Unterhaltung, voller Lachen und Musik und Geruch von gutem Essen fühlte er sich allein und heimatlos. Wenn Edward die Stadt verlassen hatte, wäre er sicher weiter Richtung Texas gezogen, wie Lucas gesagt hatte. Und vielleicht hatte dieser Dreckskerl von Wilson recht und auch Maggie war nach Texas gegangen. Aber was, wenn einer von ihnen noch in der Stadt war? Was, wenn beide noch hier waren? Er sah sich ständig um, als könnte er einen der beiden die kalten und windigen Straßen entlanggehen sehen. Er unterdrückte den Drang, aufzuheulen.
    Der Abend dämmerte bereits, als er die Place d’Armes erreichte, den warmen und verqualmten Innenraum der Red Cat Tavern betrat und den Wohlgeruch von scharfen Getränken und eingelegten Speisen einatmete. Es war lärmig vor lautstarker Unterhaltung und dem Tröten, Schrammeln und Zupfen einer Skiffle-Band. Er hörte Lucas Malones Stimme rufen: »Johnny-Boy! Hier!« und entdeckte den Graubart an der Theke. Er spürte, wie er grinste, als er sich den Weg durch die Menge zu dem blitzäugigen alten Schlitzohr bahnte. »Willkommen in der freien Welt, mein Junge!« dröhnte Lucas, als sie sich gegenseitig auf die Schulter klopften.
    Lucas rief dem Barmann zu, er solle noch einen Becher bringen, schenkte ihm aus seinem Krug ein und schob John den Becher zu. »Trink aus, mein Junge! Du hast noch viel vor dir, bis du mich eingeholt hast!« Er prahlte ausgelassen damit, die gesamten zwei Wochen seit seiner Freilassung aus dem städtischen Gefängnis betrunken gewesen zu sein, und schwang wie die Flussmatrosen den Rumkrug am Fingergriff in die Beuge seines erhobenen Arms und legte den Ellbogen hoch, um einen tiefen Zug zu nehmen. John kippte seinen Becher hinunter, und Lucas schenkte ihm nach.
    Die Unterhaltung in der Taverne drehte sich hauptsächlich um Krieg und war laut und eifrig. Während sie einen Drink nach dem andern kippten, erfuhr John, dass Texas Ende Dezember annektiert worden war und die

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