Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
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angegriffen worden sei. Der Angeklagte sei im Begriff gewesen, das Mädchen in sein Zimmer zu nehmen, als Smith in den Gang kam und ihr einen besseren Preis anbot. Es sei zu einem Kampf gekommen, bei dem der Angeklagte Smiths Männlichkeit auf grauenhafte Weise verstümmelt und dann versucht habe, ihn zu töten, indem er ihn vom Balkon seines Zimmers im ersten Stock warf. Der Eigentümer und seine Freunde hätten das Opfer zum nächsten Arzt gebracht und sich dann in der Wache gemeldet. Als die Beamten zum Zimmer des Angeklagten gingen, um ihn zu verhaften, habe er Widerstand geleistet und mit körperlicher Gewalt überwältigt werden müssen. Es sei ein Mädchen im Zimmer gewesen, ja, doch habe sie während des Handgemenges mit dem Angeklagten die Flucht ergriffen. Der Besitzer habe sie ihnen gegenüber als eine junge Prostituierte identifiziert, die oft auf den Kaistraßen gesichtet worden sei, wo sie ihrem Gewerbe nachgehe. Und ja, sie hätten das Opfer befragt, das sich in einem Gästehaus von seinen schrecklichen Verletzungen sowie von einem gebrochenen Bein erholen wollte. Es handelte sich dabei um einen gewissen Gaspar Surtee, einen bekannten Dieb, der bereits mehrmals kurze Haftstrafen im städtischen Gefängnis abgesessen hatte. Mr. Surtee würde jedoch nicht zur Zeugenaussage vor Gericht erscheinen. Zwei Tage zuvor sei er mit einem anderen Bewohner des Gästehauses in Streit geraten, und dieser habe Surtee mit seiner eigenen Krücke totgeschlagen.
Der Mann mit der Melone – dessen Name Joseph Barbato war und dessen gebrochener Kiefer ihn immer noch derart am Sprechen hinderte, dass er gezwungen war, seine Antworten niederzuschreiben – sowie der schnurrbärtige Mann namens Willard Moss, dessen Nase jetzt einen eindeutigen Schiefstand aufwies, bezeugten beide, dass John sie früher am fraglichen Abend nicht nur ihrer Pistolen und ihres Geldes beraubt, sondern sie auch auf hinterhältige Art angegriffen habe. Ihre Geschichten wurden von dem Kassierer bestätigt, der an jenem Abend Ärmelhalter getragen hatte und seinen Namen vor Gericht als Harris Wilson angab.
John seinerseits bezeichnete seine Ankläger als Lügner und erklärte, wie er seine Schwester aus dem Bordell im Hole World Hotel gerettet habe. Das Gericht lauschte ihm aufmerksam, bis er geendet hatte. Dann wandte sich der Ankläger an den Richter und sagte kurz etwas auf Französisch. Der Richter nickte, wandte sich dann zu John und fragte ihn, warum seine Schwester nicht anwesend sei, um zu seinen Gunsten auszusagen, worauf John entgegnete, es sei so gewesen, wie der Konstabler es geschildert hatte, nämlich dass sie während seiner Festnahme geflüchtet sei, und er habe keine Ahnung, wo sie sein könnte. Der Richter sah ihn prüfend mit schmalen Augen an und wandte sich dann an den Ankläger, der die Augenbrauen hochzog und mit den Achseln zuckte.
John blickte vom einen zum anderen und fügte schnell hinzu, selbst wenn er nicht beweisen könne, dass Surtee seine Schwester angegriffen hatte, habe der Konstabler selber gesagt, dass Surtee ein bekannter Dieb sei, und da niemand infrage stellte, dass Surtee vom Balkon von Johns Zimmer hinuntergeworfen worden war, könne man aus der Anwesenheit des Mannes dort zuallermindest schließen, dass er auf Dieberei aus war. Ein Mann handle doch gewiss rechtens, wenn er einen Dieb angreift, den er in seinem Zimmer antrifft.
Der Richter zog eine Augenbraue hoch und wandte sich an den Ankläger, der die Hände hinterm Rücken verschränkt und den Blick auf den Boden zu seinen Füßen gerichtet hatte. Der Richter betrachtete John einen Augenblick lang mit ernster Miene, lehnte sich dann zurück und blickte mit geschürzten Lippen zur Decke und trommelte mit den Fingern auf die Bank. Dann seufzte er schwer, sah wieder zu John hinunter und befand ihn des Bagatelldiebstahls und der leichten Körperverletzung für schuldig und verurteilte ihn zu drei Monaten Haft im städtischen Gefängnis.
7 Die Zeit verstrich langsam in der Gleichförmigkeit seiner Tage. Er arbeitete und aß und schlief und träumte. Träumte von Daddyjack, der anklagend auf ihn wies. Von seiner Mutter, die über Daddyjacks Leichnam stand und zu ihm hinablachte. Von seinem Bruder, der mit einer Pistole in jeder Hand dunkle Kopfsteinpflastergassen entlangwanderte und seinen Namen in die Finsternis rief. Von Maggie, die tanzte und ihr Kleid wirbeln ließ und ihre hübschen Beine zeigte. Wie sie mit hochgelegten Beinen auf der Veranda saß
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