Das Boese in uns
SÜNDEN VON MICHAEL UND FRANCES MURPHY
Kapitel 38
Michael hockte sich hinter den Vorhang und schob mit großer, ach so großer Behutsamkeit das Ohr an die Wand des Beichtstuhls. Mrs. Stevens war im Beichtstuhl, Mrs. Stevens mit den blonden Haaren und den großen Brüsten. Mrs. Stevens war spezialisiert auf Sünden der Fleischeslust. Sie zu belauschen war ganz besonders aufregend.
Michael schloss die Augen und öffnete den Mund ein klein wenig. Es dauerte einen Moment, ehe die Stimmen durch die Wand hindurch sickerten.
»Ich kann nicht aufhören, mich immer wieder ... zu berühren, Vater.«
Eine Pause. Michael stellt sich vor, wie der Priester einen Seufzer unterdrückt.
»Und wo berührst du dich, mein Kind?«
Ein scharfes Luftholen.
Sie mag diese Frage!, denkt Michael.
»Zwischen meinen Beinen, Vater. Unter dem Höschen. An meiner Pussy.«
Michaels Unterkiefer sank weiter herab. Was für eine Hure musste das sein, die das Wort »Pussy« in einem Beichtstuhl verwendete!
Er schalt sich für seine eigene Scheinheiligkeit. Scheinheiligkeit war eine Form von Stolz, und Stolz war eine Sünde. Die Wahrheit sah nämlich so aus, dass er einen Steifen hatte. Die Vorstellung, dass Mrs. Stevens mit den blonden Haaren und den großen Brüsten sich selbst streichelte, da unten ... verdammt, die bloße Vorstellung, sie in Höschen zu sehen, brachte ihn beinahe um den Verstand.
Der Nachteil von alledem war leider, dass er es wieder würde beichten müssen. Er würde wieder einmal zugeben müssen, dass er sich hinter dem Vorhang versteckt und mit dem Ohr an der Wand des Beichtstuhls die privatesten Augenblicke anderer Menschen belauscht hatte. Und in diesem Fall kamen erschwerend seine eigenen lustvollen und sündhaften Gedanken hinzu.
Was die Sache noch schwieriger machte: Der Priester, bei dem er beichten musste, war sein eigener Vater. Kein Beichtvater, sondern sein Dad. Doch es führte kein Weg daran vorbei. Beichte musste sein, und Michael würde sich niemals um eine Beichte drücken, ganz gleich, wie hoch der Preis sein mochte. Sich vor der Beichte zu drücken war ein Einzelfahrschein geradewegs in die Ewigkeit des Höllenfeuers. Michael glaubte an die Hölle. Und kein Geheimnis war es wert, in die Hölle zu kommen.
Eines von den vielen Dingen, die Michael an seinem Dad bewunderte, war die vollkommene Trennung zwischen seiner Arbeit als Priester und seiner Eigenschaft als Vater. Michael hatte im täglichen Leben noch nie auch nur andeutungsweise eine persönliche Meinung seines Vaters über irgendetwas zu hören bekommen, das er ihm im Beichtstuhl anvertraut hatte.
Während Michael lauschte, wie Mrs. Stevens immer bildhafter wurde bei ihrer Beichte der Selbstbefriedigung (Feucht, flüsterte sie, so feucht, so unglaublich feucht...), erlebte Michael einen Augenblick der Bewunderung und tiefen Liebe zu seinem Vater. Dad war der beste Mann, den Michael kannte. Der anständigste, ehrenhafteste Mann auf der Welt. Es war eine Frage des Charakters, und davon hatte Frank Murphy massenhaft. Er brauchte nicht mal einen Priesterkragen, um es zu beweisen.
Dad war der Grund, weshalb Michael ebenfalls Priester werden wollte. Dad war der Grund, aus dem er beschlossen hatte, als Jungfrau in den Priesterstand einzutreten. Wenn er ehrlich war mit sich selbst (und Michael schätzte Ehrlichkeit über alles), war es dieses Gelöbnis, das er als Ausrede für sein Lauschen benutzte. Wenn er schon niemals die Berührung einer Frau erfahren würde, war es dann wirklich so schlimm, einen flüchtigen Blick auf die Welt von Mrs. Stevens und ihre nassen Höschen zu werfen? Nur einen ganz schnellen, flüchtigen Blick?
Nein, so schlimm war es nicht, sagte er sich, aber trotzdem eine Sünde. Eine Sünde, die er beichten musste.
Er staunte manchmal über die Geduld seines Vaters. Mrs. Stevens klang ganz und gar nicht zerknirscht in Michaels Ohren. Sie klang im Gegenteil sehr erregt. Selbst mit seinen dreizehn Jahren vermochte Michael zu sehen, dass sie die Beichte benutzte, um noch mehr zu sündigen, weil es sie anmachte, einem attraktiven, zölibatären Priester ihre Selbstbefriedigung in sämtlichen Details zu beichten. Wahrscheinlich hatte sie jetzt, in diesem Moment, schon wieder ein nasses Höschen.
Schamhaar so blond wie das Haar auf ihrem Kopf glitzernd vor Feuchtigkeit, während sie leise stöhnt...
Diese Vorstellung schreckte ihn ab und erregte ihn zugleich.
»Wer ist da drin?«
Die geflüsterte Frage hätte ihn zu Tode
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