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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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einer bestimmten Gruppe seiner Ungeheuer vorwärts zerren. 
    "Bist du dort, Jim? Oder... vielleicht... da drüben?" 
    Gedankenlos stieß er gegen einen Bücherkarren auf Gummirädern, der ins Dunkel davonrollte und an ein Regal stieß. Irgendwo zerbrach er und verstreute die Bücher wie schwarze Raben auf den Boden. 
    "Ihr seid alle beide geschickt im Versteckspielen", sagte Mr. Dark. "Aber jemand ist noch schlauer. Habt ihr heute abend die Dampforgel des Karussells gehört? Wißt ihr, daß jemand auf dem Karussell saß, der euch lieb und teuer ist? Will? Willy? William? William Halloway! Wo ist deine Mutter heute abend?" 
    Schweigen. 
    "Sie ist heute abend durch den Nachtwind gesaust, Willy, William! Immer im Kreise. Wir haben sie draufgesetzt. Immer rundherum. Wir haben sie drauf sitzen lassen. Immer im Kreise. Hörst du mich, Will? Einmal – ein Jahr, noch ein Jahr, immer noch ein Jahr, immer im Kreis herum!" 
    Dad, dachte Will. Dad, wo bist du? 
    Fern in dem kleinen Raum saß Charles Halloway mit laut klopfendem Herzen. Er hörte alles und dachte: Er wird sie nicht finden, ich rühr mich nur, wenn er sich rührt, er kann sie nicht finden, sie werden nicht auf ihn hören! Sie werden es ihm nicht glauben! Dann geht er wieder weg. 
    Mr. Dark rief leise: "Deine Mutter, Will! Immer im Kreise herum. Und du kannst dir doch sicher denken, in welche Richtung, Will?" 
    Mr. Dark beschrieb mit seiner geisterhaften Hand im Dunkeln einen Kreis. 
    "Immer im Kreis. Und als wir deine Mutter dann herunterließen, Junge, als sie sich im Spiegelkabinett sah, da hättest du den einen einzigen Ton hören sollen, den sie von sich gab. Das klang wie bei einer Katze, die einen so großen Haarklumpen verschluckt hat, daß sie ihn nicht wieder herauswürgen kann. Und schreien konnte sie auch kaum, weil das Haar ihr aus Mund, Nase und Ohren drang. Junge, war sie alt, alt, alt! Als wir sie zuletzt sahen, Willy, da rannte sie zwischen all den Spiegeln vor sich selbst davon. Sie wird bei Jim an die Haustür klopfen, aber wenn seine Mutter so ein zweihundert Jahre altes Gerippe vor der Tür stehen sieht, das um die Gnade eines raschen Todes durch eine Kugel bettelt, Junge, dann wird Jims Mutter genauso würgen, und der Haarklumpen wird ihr wie der Katze im Hals stecken. 
    Aber ihr wird nicht übel, sie wird sie davonjagen, hinaus zum Betteln auf die Straße, und keiner wird ihr glauben, Will. Sie ist nur noch ein Knochengerippe, keine Spurmehr von vergangener Schönheit, keine Ähnlichkeit mit euch! An uns liegt es jetzt, Will. Wir müssen laufen und sie suchen, sie retten. Wir wissen, wo sie ist – stimmt's, Will? Sag mir: Stimmt das? Stimmt es?" 
    Mr. Darks Stimme war nur ein Zischeln in der Dunkelheit. 
    Irgendwo in der Bibliothek, kaum hörbar, begann nun jemand zu schluchzen. 
    Der Illustrierte Mann atmete erleichtert und erfreut auf. 
    Jaaaaa... 
    "Hier", murmelte er. "Was? Wo? Steht ihr vielleicht unter J wie Jungen? A wie Abenteuer? V wie versteckt? G wie geheim? E wie entsetzt? Oder unter J für Jim und N für Nightshade? W für William und H für Halloway? Wo stecken sie denn, meine zwei kostbaren menschlichen Bücher, damit ich die Seiten umblättern und darin lesen kann?" 
    Er schob auf dem untersten Regal einige Bücher beiseite, um Platz für seinen rechten Fuß zu finden. 
    Dann schob er den rechten Fuß in die Lücke, verlagerte sein Gewicht und hing mit dem linken Fuß frei in der Luft. 
    "Dort!" 
    Sein linker Fuß stieß im zweiten Regal Bücher beiseite und fand festen Halt. So kletterte er immer höher, zum vierten, fünften, sechsten Regal, hinauf in den dunklen Himmel der Bibliothek. Seine Hände klammerten sich an die Regale, er klomm höher hinauf ins Laub der raschelnden, papiernen Blätter, um die Jungen zu finden, falls sie da waren, klein und gepreßt wie Lesezeichen in den Büchern. 
    Seine rechte Hand mit der Königstarantel, von Rosen umwunden, stieß an ein Buch über Bayeux-Gobelins. Es krachte hinunter in den bodenlosen Abgrund. Es dauerte endlos lange, bis das Buch auf den Boden schlug und auseinanderklaffte, Ruinen der Schönheit, Gold, Silber und Himmelsblau. 
    Keuchend griff er mit der linken Hand nach dem neunten Regal, ächzte, griff ins Leere. Keine Bücher mehr. 
    "Na, ihr Jungen, seid ihr da oben auf dem Mount Everest?" 
    Schweigen. 
    Nur das ganz leise Schluchzen, näher jetzt. 
    "Ist es hier kalt? Kalt,

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