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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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leise hinaus in die Dunkelheit. Mr. Dark trug sie überall an sich. In seinem heiseren Ruf klangen ihre Schreie, ihr Wimmern, ihre vagen, doch unüberhörbaren Rufe gespannter Erwartung mit. 
    "Na, ihr Jungen? Seid ihr da? Wo ihr auch steckt – meldet euch!" 
    Charles Halloway sprang einen Schritt vor, dann spürte er, wie sich der Raum rings um ihn drehte, während die weiche, leise, fast angenehme Stimme von Mr. Dark durch die Dunkelheit klang. Charles Halloway taumelte gegen einen Stuhl und dachte: Mein Herz! Er sank auf die Knie und sagte: "Höre, mein Herz! Es explodiert! Gott, es reißt sich aus meiner Brust los!" Und er konnte nicht folgen. 
    Der Illustrierte Mann schlich auf Katzenpfoten durch das dunkle Labyrinth wartender Bücher. 
    "Jungens? Hört ihr mich..." 
    Schweigen. 
    "Hallo... Jungens..." 

Zweiundvierzigstes Kapitel 

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    Irgendwo in der schlummernden Einsamkeit, zwischen den reglosen, aber lebensstrotzenden Millionen von Büchern, verirrt hinter zwei Dutzend Ecken nach links, drei Dutzend Ecken nach rechts, Flure entlang, über Korridore ohne Ausgang, verschlossene Türen und halbleere Regale, irgendwo im literarischen Dickens-Nebel Londons, im Dostojewski-Schneegestöber Moskaus und der dahinterliegenden Steppen, irgendwo zwischen Atlanten und geographischen Handbüchern hockten, standen, lagen die beiden Jungen, unterdrückten ihr Niesen, preßten die Lippen aufeinander, schwitzten und froren gleichzeitig. 
    Irgendwo versteckt kauerte Jim und dachte: Er kommt! 
    Irgendwo verborgen kauerte Will und dachte: Er ist schon in der Nähe! 
    "Jungens..." 
    Mr. Dark kam mit seiner Schar von Freunden, mit seiner erlesenen Auswahl gezeichneter Reptilien, die sich um Mitternacht auf seiner Haut sonnten. Mit ihm kam der tintene Tyrannosaurus rex anmarschiert, öligschleichend, voller urtümlicher Kraft. Eine Donnerechse stolzierte drohend heran, und mit ihr kam Mr. Dark, gewappnet mit bösartigem Blitz gemalter Raubtiere und dem Schaf, das vor dem Donner floh, vor dem Sturm bedrohlicher Muskeln. Es war der Urweltdrache, der seine Schwingen erhob und gleichsam durch die marmornen Verliese schwebte. Und mit den geprägten, eintätowierten Gestalten des nackten Verderbens kam seine übliche Zuschauerschar; sie hockte auf jedem seiner Glieder, auf seinen Schultern, spähte vom Haardschungel seiner Brust, hing in mikroskopischen Millionen unter seinen Achseln und stieß Fledermausschreie aus, lechzend nach Kampf, bereit zur Jagd und, wenn nötig, zum Töten. Mr. Dark schob schlurfend seine Beine, seinen Leib, sein scharfgeschnittenes Gesicht vorwärts, wie eine schwarze Flutwelle auf eine verlassene Küste schlägt, ein dunkles Chaos voller phosphoreszierender Schönheiten und böser Alpträume. 
    "Jungens?" 
    Die sanfte Stimme war voll unendlicher Geduld, warm und freundlich gegenüber den verborgenen Geschöpfen, die sich zitternd versteckten zwischen trockenen Büchern. So raschelte, kroch, schlich, ging, lauerte er, verharrte drohend zwischen den Primaten, den ägyptischen Denkmälern für Tiergottheiten, streifte im Vorbeigehen schwarze Geschichten des toten Afrika, verhielt eine Weile in Asien, eilte dann weiter zu neuen Ufern. 
    "Jungens! Ich weiß doch, daß ihr mich hört! Auf dem Schild steht: RUHE! Also werde ich flüstern. Einer von euch will immer noch das, was wir anzubieten haben. Oder? Na?" 
    Jim, dachte Will. 
    Ich, dachte Jim. Nein! O nein! Nicht mehr! Ich nicht... 
    "Kommt doch raus!" Mr. Dark schnurrte sanft lockend die Worte durch seine Zähne. "Ich verspreche euch eine Belohnung. Wer sich zuerst stellt, gewinnt alles!" 
    Bum-bum-bum. 
    Mein Herz, dachte Jim. 
    Bin ich das, überlegte Will. Oder ist es Jim? 
    "Ich hör euch!" Mr. Darks Lippen zitterten. "Schon näher. Will? Jim? Jim ist doch der schlauere, wie? Komm doch, mein Junge!" 
    Nein, dachte Will. 
    Ich weiß doch nichts, dachte Jim verstört. 
    "Jim – ja!" Mr. Dark fuhr herum, schlug eine andere Richtung ein. "Jim, zeig mir, wo dein Freund ist." Ganz leise. "Wir schließen ihn ein, und du bekommst die Freifahrt, die er eigentlich haben sollte, wenn er schlau gewesen wäre. In Ordnung, Jim?" Wie eine gurrende Taube. "Wieder näher. Ich hör dein Herz klopfen!" 
    Aufhören, befahl Will in Gedanken seinem Herzen. 
    Halt! Aufhören! Jim hielt den Atem an. 
    "Ich weiß nicht recht... Seid ihr da in der Nische?" 
    Mr. Dark ließ sich von

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