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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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der Ballon in ihm anschwoll. 
    Er lächelte. 
    "Nanu?" Dad war überrascht. Will schnaubte. Will kicherte. 
    "Was ist denn?" fragte Dad. 
    Dann explodierte der herrlich warme Ballon, riß ihm die Zähne auseinander, warf ihm den Kopf zurück. 
    "Dad! Dad!" 
    Er krümmte sich. Er packte Dad bei der Hand. Er rannte schreiend, kreischend, quakend wie eine Ente, gackernd wie ein Huhn umher. Mit den Händen schlug er sich auf die Knie. Staub flog unter seinen Sohlen auf. 
    "O Susannah!" 
    "O weine nicht..." 
    "Um mich!" 
    "Denn ich komm wieder..." 
    "Alabama mit..." 
    "Mein Banjo auf dem Knie." 
    Dann zusammen: "Banjo auf mei'm Knie!" 
    Die Mundharmonika schlug klickend gegen Zähne. 
    Dad entlockte ihr herrlich-fröhliche Töne, drehte sich im Kreis, sprang hoch und schlug die Absätze aneinander. 
    "Ha!" Sie stießen zusammen, fielen fast um, prallten mit den Ellbogen gegeneinander, stießen sich die Köpfe an, aber so kam ihnen die Luft noch rascher über die Lippen. "Ha! O Gott! Haha! Herr im Himmel, Will! Haha! Ich kann – nicht – mehr..." 
    Und mitten im wildesten Gelächter... 
    Ein Niesen! 
    Sie fuhren herum. Sie rissen die Augen auf. 
    Wer lag da auf dem mondbeschienenen Boden? Jim? Jim Nightshade? 
    Hatte er sich bewegt? Waren seine Lippen weiter geöffnet, zitterten seine Lider? Sahen seine Wangen wirklich rosiger aus? 
    Nicht hinsehen! Dad faßte Will wieder bei der Hand und schwenkte ihn herum. Sie tanzten Ringelreihn, und der Vater blies kräftig auf der Mundharmonika. Dabei stelzte er mit gespreizten Armen umher. Sie hüpften über Jim weg, dann wieder zurück, als sei er ein kleiner Stein, ein Hindernis. 
    Ein Lied nach dem anderen. 
    Jims Zunge glitt aus dem Mund. 
    Keiner bemerkte es. Und wenn sie es vielleicht sahen, so ignorierten sie es, weil sie fürchteten, es könne wieder vorbeigehen. 
    Dann sorgte Jim schließlich selbst für sich. Seine Augen öffneten sich. Er betrachtete die beiden tanzenden Narren. Er traute seinen Augen nicht. Er war seit Jahren unterwegs. Nun kam er zurück, und niemand begrüßte ihn. Sie tanzten statt dessen Samba. Er hätte heulen mögen. Aber noch bevor die Tränen sich formen konnten, verzogen sich seine Lippen. Er mußte schallend lachen. Es war schon wirklich zu komisch – der alberne Will mit dem albernen Hausmeister, wie sie über die Wiese hopsten wie wildgewordene Gorillas. 
    Sie stolperten über ihn, überspülten ihn mit ihrem nun klar fließenden Strom von Gelächter, das nicht zu stoppen war, und wenn Himmel und Erde eingestürzt wären. Er stimmte ein, und er ging in die Luft wie Feuerwerk, wie Knallfrösche, die man mit einem Streichholz angesteckt hat. 
    Will hüpfte weiter, sah auf Jim hinab und dachte: Er weiß gar nicht, daß er tot war. Also werden wir es ihm nicht sagen – irgendwann einmal, aber nicht... Duh-dah, duh-dah! 
    Sie begrüßten ihn nicht, sie forderten ihn nicht auf mitzumachen, sie reichten ihm nur einfach die Hände, als sei er aus der Reihe gestolpert und brauche eine helfende Hand, sich ihnen wieder anzuschließen. Sie rissen Jim hoch. Jim flog. Er stürzte beim Tanz hin. Er tanzte weiter. 
    Als Will die lebendige, warme Hand in der seinen spürte, da wußte er, daß sie Jim wirklich ins Leben zurückgerufen, zurückgelacht hatten. Sie hatten Jim wie ein Neugeborenes getätschelt, seine Lungen freigeklopft, ihm auf den Rücken geschlagen und fröhlichem Atem Platz gemacht. 
    Dann bückte sich Dad, Will sprang über ihn weg und bückte sich, und Dad sprang darüber, dann warteten sie beide hintereinander, summend, herrlich müde, bis Jim den Speichel hinuntergeschluckt und Anlauf genommen hatte. Dad schaffte er nur halb. Sie rollten alle drei ins Gras, heiß und benommen, fröhlich und jubelnd, wie es am ersten Schöpfungstage gewesen sein muß, als die Freude noch nicht aus dem Garten Eden vertrieben war. 
    Schließlich wollten ihre Füße nicht mehr, sie lehnten sich aneinander, hockten sich hin, umfaßten ihre Knie, sahen einander in stummer Freude an und genossen die trunkene Stimmung, die Stille. 
    Und als sie ihre Gesichter betrachtet hatten, die wie Fackeln brannten, da blickten sie über die Wiesen hinweg. 
    Die großen schwarzen Zeltmasten lagen mit ihren toten Zelten da wie auf einem Elefantenfriedhof. Sie wurden fortgeblasen wie die Blütenblätter von schwarzen Rosen. 
    Die drei einzigen Menschen in einer schlafenden

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