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Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Titel: Das Böse kommt auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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der Hexe? Wohin, Jed, wohin? Weißt du was, Jed? Roll doch mal deinen rechten Hemdsärmel hoch." 
    Große Mondsteinaugen blitzten Charles Halloway an. 
    Dann sprang der Junge zurück, aber auch Charles Halloway setzte bereits zum Sprung an, packte ihn beimArm und am Hemdkragen und rollte ihm nicht den Ärmel hoch, sondern riß ihm den Ärmel einfach vom Leib. 
    "Na also, Jed", sagte Charles Halloway gelassen, fast heiter. "Genau so hab ich mir das gedacht." 
    "Sie, Sie, Sie!" 
    "Ja, Jed – ich. Aber jetzt geht's mehr um dich – sieh doch mal!" 
    Und er schaute. 
    Denn da, auf dem Rücken der kleinen Jungenhand, auf den Fingern und über das Handgelenk, ringelten sich blaue Schlangen, starrten giftig-blaue Schlangenaugen, wimmelten blaue Skorpione um Haifischrachen, die ewig-hungrig aufgesperrt waren, die Mißgeburten zu verschlingen, die Stich neben Stich, Haut neben Haut, Kopf neben Kopf über die Brust und den schmächtigen Leib verstreut waren, die sich auf dem kleinen, viel zu kleinen Körper zu verstecken suchten, an diesem kalten, jetzt angstbebenden Körper. 
    "Na, Jed, das ist aber ein feines Kunstwerk, muß ich schon sagen." 
    "Sie!" Der Junge schlug zu. 
    "Ja, immer noch ich." Charles Halloway bekam den Schlag ins Gesicht und nahm den Jungen in einen Klammergriff. 
    "Nein!" 
    "O doch!" sagte Charles Halloway. Er benutzte nur die gesunde rechte Hand, die Linke hing unbrauchbar an seiner Seite herab. "Los, Jed, dreh dich, winde dich ruhig. Es war eine großartige Idee. Mich loseisen, allein fertigmachen, dann hingehen und Will holen. Und wenn die Polizei kommt, nun, dann bist du nur ein Junge von neun oder zehn Jahren, und der Zirkus – nein, der Zirkus gehört dir nicht, mit dem hast du nichts zu tun. 
    Hiergeblieben, Jed! Warum willst du unter meinem Arm weg? Wenn die Polizei kommt, sind die Besitzer der Schau verschwunden. Stimmt's, Jed? Ein herrlicher Ausweg!" 
    "Sie können mir doch nicht wehtun!" schrie der Junge. 
    "Seltsam", murmelte Charles Halloway. "Ich glaube, ich kann's doch." 
    Er drückte den Jungen fast liebevoll an sich, enger und enger. 
    "Mörder!" winselte der Junge. "Mörder!" 
    "Ich will dich nicht umbringen, Jed, oder Mr. Dark, wer oder was du auch bist. Du wirst dich selbst umbringen, weil du's nicht ertragen kannst, Leuten wie mir so nahe zu sein. Jedenfalls nicht 50 nahe und nicht 50 lang!" 
    "Böse!" ächzte der Junge und wand sich. "Sie sind böse." 
    "Böse?" Wills Vater lachte. Bei dem Laut zuckte der Junge wie unter einem Wespenstich zusammen und wehrte sich um so heftiger. "Böse?" Die Männerhände klebten wie Fliegenpapier an dem zerbrechlichen Knochengerüst. "Von dir klingt das seltsam, Jed. So scheint's jedenfalls. Dem Bösen muß das Gute böse erscheinen. Also werde ich dir nur Gutes tun, Jed. Ich werde dich einfach festhalten und zusehen, wie du dich selbst vergiftest. Ich tu dir Gutes, Jed, Mr. Dark, Herr Zirkusbesitzer, mein Junge – bis du mir sagst, was mit Jim los ist. Weck ihn auf. Laß ihn frei. Laß ihn leben!" 
    "Ich kann nicht, ich kann nicht..." Die Stimme des Jungen klang wie von weither, aus den Tiefen seines kleinen Körpers. "Ich kann nicht..." Immer matter. 
    "Du meinst, du willst nicht?" 
    "Kann nicht." 
    "Gut, mein Junge, schon gut. Da und da – jetzt, jetzt..." 
    Aus der Ferne wirkten sie wie Vater und Sohn in liebevoller Umarmung, nur war die Umarmung noch enger. Der Mann hob die verletzte Hand und berührte das verzerrte Gesicht. Das Gewürm, die Illustrationen zitterten, huschten hierin und dorthin, bildeten mikroskopische Herden und gaben es bald wieder auf. 
    Der Junge rollte die Augen, starrte den Mann an. Er sah dort das seltsame, freundliche Lächeln, das zuvor als Segen auf die Hexe zuflog. 
    Er drückte den Jungen noch enger an sich und dachte: Das Böse hat nur so viel Macht, wie wir ihm zugestehen. 
    Ich gestehe dir nichts zu. Nichts. Ich nehme mir die Macht zurück. Verhungere! 
    Die beiden Streichholzflämmchen in den geängstigten Augen des Jungen verlöschten. Der Junge fiel mitsamt seiner geschlagenen Meute von Untieren zu Boden. Es hätte ein Getöse wie bei einem Erdrutsch geben müssen. 
    Aber es war nur ein Rascheln wie von japanischem Papier. 

Dreiundfünfzigstes Kapitel 

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    Charles Halloway stand lange Zeit da und betrachtete schwer atmend die Gestalt zu seinen Füßen. In all den Zeltgassen schwebten und schwankten die

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