Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
auch wenn du nichts sagst.« Seufzend zündete sie sich eine Zigarette an und hielt mir die Packung hin. Ich schüttelte den Kopf und sie zuckte wieder mit den Schultern.
»Der springende Punkt dabei ist«, fuhr sie fort, »dass ich mich genau wie du seit damals weiterentwickelt habe. Vielleicht können wir ja jetzt wieder Freundinnen sein.«
»Woher weißt du, dass ich mich weiterentwickelt habe?«, fragte ich. Es war nicht leicht, die neuesten Neuigkeiten von der anderen Seite der Stadt zu bekommen.
»Ahh.« Sarah rieb sich grinsend die Hände. »Jetzt kommen wir zu den angenehmen Dingen. Ich will es mal so sagen: Es hat seine Vorteile, sich mit dem Gesetz einzulassen. Zum Beispiel … offizielles Beweismaterial?«
Mir blieb der Mund offen stehen.
»Du hast das Video gesehen?«, fragte ich schließlich fassungslos.
Sarah nickte. »Ich muss schon sagen, Tal, ich bin beeindruckt. Andere, die das Lager wechseln und zu den Reichen überlaufen, werden total prüde und zugeknöpft, aber dein neuer Kerl da … wie heißt er doch gleich? Der hat dich ja richtig locker gemacht.«
»Du lügst«, entfuhr es mir, und ich musste mein Glas mit beiden Händen halten, damit sie nicht zitterten. »Warum solltest du … warum sollte er dir …«
»Hauptsächlich zu Forschungszwecken«, sagte sie. »Derek und ich versuchen uns selbst ein wenig mit Filmen. Er dachte, es würde uns inspirieren.«
»Das ist so was von krank.«
»Hab dich nicht so«, meinte sie. »War gar nicht so schlecht, dir zuzusehen.«
»Sarah«, sagte ich langsam, »hast du das Video noch? Ich meine, kommst du da …«
»Ja, richtig.« Sie schüttelte den Kopf. »Das Ding ist jetzt auf der Wache eingeschlossen.« Sie blies einen Rauchkringel in die Luft, griff zur Flasche und nahm noch einen großen Schluck.
So war das mit Sarah: Man konnte immer Spaß mit ihr haben, aber wenn es hart auf hart kam, konnte man sich nicht darauf verlassen, dass sie einen rauspaukte. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum mein Ruf an der Palmetto davon abhing, dass dieses Video nicht an die Öffentlichkeit kam.
Vielleicht hatte sich Tracy geirrt und die ganze Fahrt nach Cawdor war reine Zeitverschwendung gewesen. Warum sollte ich diese »alte Freundschaft« wiederaufleben lassen, wenn es doch wieder nur derselbe alte Mist war? Und warum durchsuchte Sarah meinen Rucksack? Das hatte sie früher schon immer getan, aber jetzt störte es mich wirklich.
»Was machst du da?«
»Dein Telefon klingelt«, sagte sie, fischte es heraus und sah aufs Display. »Ohhh! Wer ist denn Mike? Ist das er ?«
Ich nahm ihr das Handy weg, starrte den Bildschirm an und wartete, dass der Anruf auf die Mailbox weitergeleitet wurde. Ich war zwar erleichtert, dass Mike anrief, aber ich konnte ihm schlecht erklären, was ich gerade in Cawdor tat.
»Warum gehst du denn nicht dran?«, wollte Sarah wissen. »Ärger im Paradies?«
Ich sah sie an und stellte erschrocken fest, dass wir so lange nicht miteinander gesprochen hatten, dass sie nicht die geringste Ahnung mehr hatte, wer ich war. Und es gab keine Möglichkeit und auch keinen Grund, es ihr zu erklären. Das letzte Mal, als ich mit Sarah gesprochen hatte, war mein wichtigstes Männerthema mein gerade verhafteter Vater gewesen. Ich erinnerte mich an unseren letzten Streit, in dem sie den Nerv besessen hatte, sich auf seine Seite zu stellen anstatt auf meine, so als wäre sie mit ihm befreundet und nicht mit mir.
Moment mal. Vielleicht war ich hier ja tatsächlich auf der völlig falschen Spur. War es möglich, dass Tracy gar nicht Sarah gemeint hatte, sondern … meinen Vater? An guten Tagen war Dad immer mehr ein Kumpel gewesen als ein autoritärer Vater. An schlechten Tagen … nun, an denen sind die Narben entstanden, die verhinderten, dass ich mich bei ihm meldete. Bis jetzt zumindest.
Es war allerdings so, dass mein Vater Verbindungen hatte … ob sie moralisch einwandfrei waren oder nicht. Vielleicht war er der Einzige, der mir helfen konnte.
Oder ich war einfach verrückt, wenn ich irgendetwas glaubte, was Tracy Lampert sagte. Vielleicht drehte ich wirklich langsam durch.
»Hey«, sagte ich zu Sarah und sah ostentativ auf die Uhr. »Ich sollte wohl lieber gehen.«
Sie sah sich in der Bar um. »Zu viele Geister aus der Vergangenheit hier für dich?«, fragte sie. »Okay. Ich bring dich raus.«
Ich kippte den Rest meines Southern Comfort hinunter und folgte Sarah aus der knarrenden Tür der Bar. Wir gingen über den
Weitere Kostenlose Bücher