Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
Schnäpse von der Bar mitbringen. Wenn man nicht mal in so einem Laden bedient wird, ist man wirklich zu jung zum Trinken. Damals hatte ich Freunde, die jeder normalen Mutter Magengeschwüre verursacht hätten – wenn diese Mutter nicht viel zu betrunken auf der Couch gelegen hätte.
Diesmal setzte ich mich mitten an die Theke und kam mir ziemlich kühn vor angesichts dessen, was ich alles geschafft hatte, seit ich den Laden vor vier Jahren das letzte Mal betreten hatte. Das große Haus, das schnelle Auto, der heiße Freund, die glitzernde Krone … oh ja, und nicht zu vergessen, dieser klitzekleine Mord.
Ich schauderte und zog die Jacke enger um mich.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte der Barkeeper und wischte mit einem Tuch vor mir über die Theke.
»Southern Comfort mit Zitrone«, bestellte ich. »Einen Doppelten.«
Der Drink kam, und ich stürzte ihn hinunter, wobei ich vergaß, dass es im Süden Unglück bringt, nicht auf etwas anzustoßen, selbst wenn man allein ist. Es schmeckte nur so gut, so schnell zu trinken. Ich knallte das Glas auf den Tresen, schauderte kurz, dann befahl ich dem Barkeeper:
»Schenk nach.«
»Hab ich’s mir doch gedacht, dass du zurückkommst«, hörte ich eine hohe, metallische Stimme.
Da war sie. Ich hatte geglaubt, ich hätte noch Zeit für eine weitere Runde, bevor sie mit ihrer Schicht in der Bowlinghalle fertig war. Doch als ich die Bar entlangblickte, sah ich sie ganz hinten auf dem Eckstuhl sitzen. Den leeren Gläsern vor ihr nach zu urteilen, musste sie schon eine ganze Weile hier sein. Ihr lockiges rotblondes Haar hing ihr strähnig über die Schultern, der schwarze Eyeliner um ihre braunen Augen war verschmiert. Ihre langen schmalen Finger zupften am Etikett ihrer Bierflasche, und als sie mich anlächelte, sah ich die kleine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen.
»Sarah!«, sagte ich und wunderte mich immer mehr über Tracys Wissen. »Ich kann es echt kaum glauben!«
»Glaub es«, sagte sie, stand auf und glitt auf den Hocker neben mir. »Die Leute verschwinden nicht einfach für immer, nur weil du sie fallen lässt, Tal.«
Der alte Spitzname ärgerte mich. Seit Jahren hatte mich niemand mehr so genannt, nicht seit Sarah und ich unzertrennlich gewesen waren – damals als ich noch ein Cawdor-Kid gewesen war und keine Palmetto-Prinzessin.
»Und ja«, nickte sie, »ich hab gehört, was ihm passiert ist.«
Sie stellte ihren Drink ab und band die Haare im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Und, alles in Ordnung bei dir?«
»Alles bestens«, sagte ich schnell. »Wo hast du es gehört?«
Sie sah sich in der Bar um und fasste mich dann am Ellbogen. »Vielleicht sollten wir uns hinten eine Nische suchen. Damit wir uns in Ruhe unterhalten können.«
Ich folgte Sarah zum hinteren Ende des Clubs, wo wir schon so oft gewesen waren. Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, immer noch Tal zu sein, und sie war Slutsky mit den dürren Beinen in der engen Jeans und dem knappen Tanktop, das die Gänsehaut auf ihren Armen sehen ließ. Sarah fror ständig, deshalb hatten wir sie immer damit aufgezogen, dass sie so viel Wärme von den Jungs um uns herum brauchte.
»Hey, Slutsky«, rief ein Kerl anzüglich vom Pooltisch herüber.
»Jetzt nicht!«, wehrte sie ihn ab, schnippisch wie eh und je. Sie schubste mich in eine dunkle Ecknische, zog ihren Flachmann hervor und nahm einen Schluck.
»Also, ich treffe mich da gerade mit jemandem«, begann sie.
»Das … das ist gut«, stammelte ich. Wenn sie jetzt das sagte, was ich zu hören hoffte, dann würde Tracy Lampert in meiner Achtung meilenweit steigen.
»Ich erwähne das nur, weil die fragliche Person für dich von Interesse sein könnte.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Derek Parker«, sagte sie und grinste plötzlich. »Vielleicht kennst du seine Uniform?«
»Du bist mit Officer Parker zusammen?« Ich kicherte und versuchte, schockiert zu klingen, um meine Begeisterung zu überspielen.
»Zusammen? Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann.« Sie wedelte mit der Hand. »Er ist verheiratet, also trifft die Bezeichnung nicht ganz zu.«
In den alten Tagen hätte ich gesagt »Oh, Sarah!«, und dann wären wir einander lachend in die Arme gefallen und hätten gesagt, dass das irgendwie eklig, aber gleichzeitig auch irgendwie heiß war. Und dann hätte sie mir sämtliche schmutzigen Details beschrieben, von denen ich nur die Hälfte verstanden hätte. Aber jetzt …
»Ich seh dir an, dass du mich verurteilst,
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