Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
vorbereitet hatte. Der Wasserfall war der Ort unseres ersten Streits, unseres ersten Mals, unseres ersten Jahrestags gewesen. Und glücklicherweise war es der einzige romantische Ort in ganz Charleston, an dem wir noch nie auf ein anderes Pärchen getroffen waren, das in lauschiger Natur miteinander rummachen wollte. Mittlerweile waren wir oft genug hier gewesen, um sicher zu sein, dass Mike und ich die Einzigen auf der Welt waren, die wussten, dass dieser Wasserfall überhaupt existierte.
Um zu ihm zu gelangen, musste man an der Marina gegenüber der Isle of Palms parken. Dann ging man fast eine Meile lang einen steilen, ausgewaschenen Pfad entlang, bis man an eine Reihe Ahornbäume und einen dichten Vorhang aus Louisianamoos stieß, der den Wasserfall verbarg. Aber wenn man sich erst einmal durch den üppigen Wald hindurchgearbeitet hatte, bekam man einen Ausblick geboten, der die ganze Mühe und Anstrengung wettmachte.
Der Wasserfall ergoss sich einen Kalksteinfelsen hinunter in einen See, der im Mondlicht fast schon übertrieben aquamarinfarben schimmerte. Im Laufe der Jahre hatte sich direkt hinter dem Wasserfall eine hübsche Nische im Kalkstein gebildet, gerade groß genug für zwei Personen.
Am frühen Abend, so wie jetzt, bildete sich ringsum ein Nebelschleier, der einem das Gefühl verlieh, in einen Traum geraten zu sein.
Wenn wir uns am Wasserfall verabredeten, war Mike immer vor mir da. Und immer legte er vom Ende des Wegs bis zu unserer Nische eine Spur für mich, denn auch wenn ich schon oft genug hier gewesen war, um den Weg im Schlaf zu finden, behauptete Mike immer noch, er wolle nicht, dass ich mich verlaufe. Er verstreute Rosenblätter oder Schokolade oder Nüsse – einmal hatte er sogar ein paar Boxershorts in die Äste der Ahornbäume gehängt, die mich wie Flaggen zu ihm führten.
Heute Abend war der Pfad leer.
Mein Herz begann, heftig zu schlagen bei dem Gedanken, womöglich ein drittes Mal versetzt zu werden, doch als ich hinter dem Wasserfall hindurch in die Nische schlüpfte, sah ich Mike auf unserem Felsen sitzen, den Kopf in die Hände gestützt.
»Du hast diesmal gar keine Spur hinterlassen«, sagte ich.
»Ich dachte, du würdest die Dinge gerne auf deine Art tun«, erwiderte er. Sein schwarzes Hemd hing zerknittert an ihm herab und sein Gesicht war so weiß wie der Mond. »Außerdem«, fügte er hinzu, »haben wir nicht schon genügend Spuren hinterlassen?«
»Mike«, begann ich. Er stand auf, als ich zu ihm kam. Wir fielen uns in die Arme und hielten uns eine Weile nur fest.
»Ich hab dich vermisst«, flüsterte ich.
»Es tut mir leid«, wisperte er zurück. »Wegen gestern.«
Er hob mich hoch und ich schlang die Beine um seine Hüften. Dann schob er mich an die Wand und presste seinen Körper an meinen. Wir küssten uns, lange, intensiv, erregend und vertraut zugleich. Erleichterung durchströmte mich.
Doch als Mike mich losließ und wir die Augen öffneten, kroch die unwillkommene und unbekannte Angst zu uns hinter den Wasserfall.
»Was sollen wir bloß tun?«, fragte Mike, als er mich absetzte.
»Ich hab mir da schon was überlegt.« Ich führte Mike zu unserem Sitz auf dem Felsen zurück und nahm einen mit Folie abgedeckten Teller mit meiner Spezialität aus dem Rucksack: Carolina Bourbon Brownies. Sie halfen Mike immer, sich vor einem Test zu konzentrieren.
»Was soll das alles?«, fragte er.
»Damit wir durchhalten beim Pläneschmieden«, erklärte ich und steckte ihm einen besonders gelungenen Keks in den Mund. »Ich habe mir überlegt, dass wir, falls es zu schwierig wird, an Baxters Video zu kommen, ei nen Plan B brauchen. Und ich habe den perfekten Weg gefunden, um Officer Fiesling in Schach zu halten.«
»Hört sich gut an«, stellte Mike fest.
»Tatsächlich?«, fragte ich und lehnte mich an ihn. Alles hing davon ab, dass Mike mich bei diesem Plan unterstützte.
»Machst du Witze?« Er zog auf die ihm eigene sexy Art die Augenbraue hoch. »Nach dem, was der Kerl sich neulich bei dir im Aquarium erlaubt hat? Ich bin ganz Ohr!«
»Ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Officer Parker das eine oder andere diskreditierende Filmchen von sich selbst besitzt«, erzählte ich und spürte, wie meine Zuversicht wuchs. Ich ließ einen Finger zwischen Mikes Hemdknöpfen hindurchgleiten und kitzelte ihn an den Rippen. So gefiel mir das schon viel besser.
»Ich werde uns Zugang zu den Beweisen für Parkers Treiben verschaffen«, fuhr ich fort, »und wenn
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