Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
nickte, sah aber immer noch verwirrt aus.
»Hey!« Ich stand auf und nahm sein Kinn in die Hände. »Kannst du dich daran erinnern, dass du meine Hartnäckigkeit vor Kurzem noch sexy gefunden hast?«
Er lachte ein wenig traurig auf. »Oh ja.«
»Das bin immer noch ich, Baby. Zusammen schaffen wir das. Ich will einfach nur neben dir da oben stehen und die Krone tragen. Und ich weiß, dass du das auch willst.«
»Ich bin mir da nicht sicher«, antwortete er, und seine Stimme klang nervös. »Es ist … ich möchte dich gerne berühren, möchte, dass du dich besser fühlst, dass ich mich selbst besser fühle. Aber weiter weiß ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »In letzter Zeit habe ich das Gefühl, gar nichts mehr zu wissen. Ich liebe dich und ich bemühe mich, aber … ich weiß nicht, wer du eigentlich bist.«
Erst jetzt erkannte ich, wie weit Mike und ich uns voneinander entfernt hatten. Früher mussten wir uns nie anstrengen. Es hatte nie die Notwendigkeit bestanden, aufeinander zuzugehen, weil wir immer zusammen gewesen waren. Unsere Freunde nannten uns sogar John und Yoko und zogen uns damit auf, dass da, wo der eine von uns war, der andere nie weit sein konnte.
Ich griff nach seiner Gürtelschnalle. Es war alles, was mir einfiel, um uns zusammenzuhalten, auch wenn ich im Innersten wusste, dass es falsch war.
»Nein«, sagte Mike und stieß meine Hand weg.
Ich zuckte zusammen, als wäre ich gestochen worden, und spürte, wie mein Gesicht versteinerte. Mike hatte mich gerade fortgestoßen. Er meinte es nicht so. Das konnte nicht sein.
Ich zog sein Gesicht zu mir und presste meine Lippen auf seine. Er küsste mich zurück, aber es geschah mehr aus Reflex als aus echtem Verlangen.
Es war so frustrierend. Ich schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn noch heftiger, schob meine Zunge zwischen seine Zähne. Ich wartete auf das Knabbern an meiner Unterlippe, das mir immer sagte, dass er voll dabei war … doch es kam nicht.
Nach einer Weile schob er mich von sich. Mein Herz schlug voller Panik.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Ich kann einfach nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Ich kann nicht aus dem Kopf bekommen, was wir getan haben.«
Wie betäubt stand ich vor ihm, ohne dass unsere Körper sich berührten. Ich hatte das Gefühl, als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. Ein leichter Wind kam auf, und plötzlich bemerkte ich, dass mein Gesicht feucht war. Tränen liefen mir über die Wangen.
»Nat«, flüsterte er bestürzt. Aber das machte es nur noch schlimmer. Ich spürte, dass etwas in mir zerbrach, einen Riss bekam. Etwas in mir gab nach. Und immer noch hatte Mike die Hände in seinem Schoß liegen und berührte mich nicht. »Bitte nicht …«
Als seine Stimme brach, begann ich richtig zu weinen.
»Ich kann es nicht ändern«, schluchzte ich und tränkte meine Ärmel mit meinen Tränen. »Ich kann nicht … ich kann das einfach nicht allein!«
Jetzt endlich drehte er sich zu mir und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Er küsste meine Augenlider und befeuchtete seine Lippen mit meinen Tränen.
»Du bist nicht allein«, sagte er. »Ich bin bei dir. Das weißt du doch.«
Ich versuchte, tief Luft zu holen, aber es war so lange her, seit ich das letzte Mal richtig geweint hatte, dass ich das Gefühl hatte, es nicht kontrollieren zu können. Ich war so müde, so furchtbar müde.
Wieder strich er mir mit seinen kräftigen Händen die Haare zurück und lächelte mich endlich so an, wie ich es mir, ohne es zu wissen, die ganze Woche lang ersehnt hatte.
»Ich hab noch etwas für dich.«
»Wirklich?«
Ich rieb mir die Augen, während Mike hinter sich griff und eine große weiße Schachtel hervorholte.
»Ich weiß doch, dass du darauf gewartet hast«, sagte er, als er sie mir reichte.
Als ich die Schachtel aufmachte, schnappte ich nach Luft. Ich hatte völlig vergessen, dass morgen Jasmin-Tag war. Vier Jahre lang hatte ich darauf gefiebert, endlich die rein weißen Blüten zu bekommen, die den Zwölftklässlerinnen vorbehalten waren, anstelle der grellbunten für die unteren Klassen. Und dieses Bouquet war perfekt. In meinen Augen brannten neue Tränen – bei all dem grässlichen Chaos hatte Mike noch daran gedacht. Er liebte mich immer noch. Ich war nicht allein.
Mit feuchten Augen betrachtete ich das Jasmin-Bouquet. Es war wunderschön.
Es war groß genug, um Eindruck zu machen, aber trotzdem schlicht und geschmackvoll. Ich hielt es an mein Herz, wo ich es am nächsten Tag
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