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Das Böse unter der Sonne

Das Böse unter der Sonne

Titel: Das Böse unter der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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treffen?»
    «Was steckt dann Ihrer Meinung nach dahinter?»
    «Das ist es ja, was ich nicht herausbekomme! Wir sind eben die Hotelliste durchgegangen. Alles langweilige Leute, nicht mehr jung. Ist ein Mann darunter, den Arlena Marshall Patrick Redfern vorziehen würde? Nein, undenkbar! Und doch wollte sie jemanden treffen – und dieser Jemand war nicht Patrick Redfern.»
    «Halten Sie es nicht für möglich, dass sie gar niemand treffen, sondern für sich bleiben wollte?», fragte Weston.
    Poirot schüttelte den Kopf. «Mein Lieber», sagte er, «Sie sind der Toten offensichtlich nie begegnet. Jemand schrieb mal eine gelehrte Abhandlung über die unterschiedlichen Auswirkungen, die eine Einzelhaft auf einen Gesellschaftslöwen wie Beau Brummel oder einen Wissenschaftler wie Newton haben würde. Arlena Marshall hätte in der Einsamkeit praktisch nicht existieren können. Sie lebte nur im Schein der männlichen Bewunderung. Nein, Arlena Marshall wollte ganz sicher jemand treffen. Aber wen?»
     
    Oberst Weston seufzte, schüttelte den Kopf und sagte: «Na ja, wir können später weiter theoretisieren. Wir müssen jetzt jeden einzelnen befragen. Wir brauchen es schwarz auf weiß, wo sich alle zur fraglichen Zeit aufhielten. Am besten nehmen wir uns erst mal die kleine Marshall vor. Vielleicht erfahren wir etwas von ihr, das uns weiterbringt.»
    Linda betrat linkisch das Zimmer, wobei sie gegen den Türrahmen stieß. Sie atmete in kurzen Stößen, ihre Augen glänzten. Sie sah aus wie ein aufgeschrecktes Fohlen. In Oberst Weston regten sich väterliche Gefühle. Armes Mädchen, dachte er. Sie ist ja fast noch ein Kind. Es muss ein ziemlicher Schock für sie gewesen sein. Er bot ihr einen Stuhl an und sagte mit beruhigend klingender Stimme: «Es tut mir Leid, dass wir Sie belästigen müssen, Miss – Linda, so heißen Sie doch?»
    «Ja, ich bin Linda.»
    Ihre Stimme hatte diesen atemlosen Klang, der für junge Mädchen häufig typisch ist. Ihre Hände lagen auf der Tischplatte vor ihr und wirkten sehr hilflos, groß und rot, mit langen Fingern und kräftigen Gelenken.
    So ein junges Ding sollte man nicht verhören, dachte Weston. «Bitte, regen Sie sich nicht auf», sagte er tröstend.
    «Wir möchten Sie nur bitten, uns zu erzählen, was Sie wissen. Vielleicht hilft es uns weiter.»
    «Sie meinen – wegen Arlena?», fragte Linda.
    «Ja. Haben Sie sie heute Vormittag überhaupt gesehen?»
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nein. Arlena steht meistens spät auf. Sie frühstückt im Bett.»
    «Und Sie, Mademoiselle?», fragte Hercule Poirot.
    «Erzählen Sie uns einfach, wie Sie den Vormittag verbracht haben», sagte Weston.
    «Na, zuerst bin ich geschwommen, dann habe ich gefrühstückt. Danach begleitete ich Mrs Redfern zur Möwenbucht.»
    «Wann brachen Sie und Mrs Redfern auf?»
    «Sie sagte, sie würde um halb elf Uhr in der Halle sein und auf mich warten. Ich hatte schon Angst, ich würde zu spät kommen, aber ich war doch sehr pünktlich. Drei Minuten vor halb brachen wir auf.»
    «Und was machten Sie in der Möwenbucht?»
    «Na ja, ich rieb mich mit Sonnenöl ein und legte mich in die Sonne, und Mrs Redfern zeichnete. Später schwamm ich eine Runde, und Christine kehrte ins Hotel zurück, weil sie sich zum Tennisspielen umziehen wollte.»
    «Erinnern Sie sich, wie spät es war?», fragte Weston und bemühte sich, seine Stimme so ausdruckslos wie möglich klingen zu lassen.
    «Als Mrs Redfern zum Hotel zurückging? Ein Viertel vor zwölf.»
    «Sind Sie sicher? Es war Viertel vor zwölf?»
    Linda riss die Augen auf. «Ja, klar. Ich habe doch auf die Uhr gesehen.»
    «Ist es die Uhr, die Sie auch jetzt tragen?»
    Linda blickte auf ihr Handgelenk. «Ja.»
    «Darf ich mal sehen?», fragte Weston.
    Sie hielt ihm ihre Hände hin. Er verglich ihre Uhr mit der seinen und der Hoteluhr an der Wand. «Stimmt auf die Sekunde», erwiderte er lächelnd. «Und danach gingen Sie schwimmen?»
    «Ja.»
    «Und wann waren Sie wieder im Hotel?»
    «Ungefähr um eins. Und dann – dann – erfuhr ich, dass Arlena…» Die Stimme versagte ihr.
    «Kamen Sie mit Ihrer – hm – mit Ihrer Stiefmutter gut aus?», fragte Weston.
    Linda blickte ihn minutenlang an, ohne zu antworten. Dann sagte sie nur: «Natürlich!»
    «Mochten Sie sie, Mademoiselle?», fragte Poirot.
    «Natürlich!», antwortete Linda. «Arlena war immer sehr nett zu mir.»
    «Nicht wie die böse Stiefmutter aus dem Märchen, was?», fragte Weston mit etwas gezwungener

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